Monströse Welten 2: Hobbs Land
diesem Wort und der abendlichen Reverenz an den Overmind endete ihr Tag.
* * *
Im Personalbüro, das sich im obersten Stock der Zentralverwaltung befand, versuchte Mugal Pye, bei Jamice Bend mehr Eindruck zu schinden, als es ihm bei den niedrigeren Chargen in den unteren Etagen gelungen war.
»Sehen Sie, Ma’am«, sagte er mit honigsüßer Stimme, »dieser Junge, Ilion Girat, ist ein Neffe von Maire Girat, die vor einigen Jahren nach Hobbs Land gekommen ist. Alles, was der Junge möchte, ist, sein Tantchen zu sehen und ihr Grüße von Familienangehörigen zu überbringen, aber bisher haben wir nur zu hören bekommen, das sei unmöglich.«
»Mr. Pye«, sagte Jamice, »wenn Sie wüßten, wie viele Onkels, Neffen, Schwestern und Söhne vor ihrer Verwandtschaft und ihrer Vergangenheit nach Hobbs Land geflohen sind. Und trotzdem tauchen immer wieder Verwandte mit dem Ansinnen hier auf, die liebe alte Tante zu besuchen, der lieben Schwester zu sagen, daß die Mutter gestorben sei oder einfach nur ›Guten Tag‹ zu sagen und der Familie Grüße zu bestellen. Es ist durchaus vorstellbar, daß die Tante dieses jungen Mannes sich freuen würde, ihren Neffen zu sehen, doch mit derselben Wahrscheinlichkeit ist eine solche Begegnung das letzte, wonach ihr der Sinn steht. Solche Erfahrungen haben wir zu unserem Leidwesen schon machen müssen. Deshalb gewähren wir Besuchern auch keinen Einblick in die Meldelisten. Nicht einmal in den Archiven werden Sie fündig werden. Wir erteilen keine Auskünfte über den Aufenthaltsort unserer Leute.«
»Wenn sie ihn aber sehen wollte«, sagte Mugal hartnäckig, »würden Sie es ihr dann verbieten?«
»Natürlich nicht. Hier ist ein Formblatt, das Sie oder vielmehr der junge Mann bitte ausfüllen. Er soll den Namen seiner Tante beziehungsweise den ihm bekannten Namen eintragen, denn womöglich hat sie ihn zwischenzeitlich geändert. Dann soll er angeben, in welchem Verwandtschaftsverhältnis er zu ihr steht und was der Grund seines Besuchs ist. Anschließend werden wir die involvierte Person benachrichtigen, und wenn er oder sie an einem Treffen interessiert ist, wird er oder sie sich freinehmen und zur Zentralverwaltung kommen.«
»Wir dürfen nicht hinfahren?«
»Nein, das ist ausgeschlossen, es sei denn, Sie würden eine schriftliche Einladung vorweisen, sie in ihrem Clan-Haus zu besuchen. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Besuch einer Siedlung möglich.«
Mugal sagte Ilion, er solle das Formular ausfüllen, und dann sah er zu, wie Jamice das Blatt ins Faxgerät schob. Er hegte zwar nur wenig Hoffnung, daß Maire Girat ihren Neffen sehen wollte, aber einen Versuch war es allemal wert.
Schließlich verließen sie das Büro und trafen sich draußen mit den anderen. »Wie lange muß ich denn noch hierbleiben?« fragte Ilion nun schon zum zehnten Mal. »Diese Welt ist so öde.«
Auf Hobbs Land gab es nämlich keinen Nebel, der sich zu einem Labyrinth verdichtete, in dessen Schutz ein Mann inkognito seiner Wege gehen konnte. Hier war der Horizont weit und klar, und die Dinge traten deutlicher zutage, als die Voorstoder es gewohnt waren.
»Du bleibst so lange hier, bis man dich wieder nach Hause schickt«, sagte Mugal. »Und wenn du gefragt wirst, weshalb du hier zurückgelassen wurdest, sagst du nur, du hättest keine Ahnung. Hast du das verstanden?«
Ilion schüttelte den Kopf. Nein, das verstand er wirklich nicht. Er wußte nur, daß jemand anders an seiner Stelle nach Hause fliegen würde, der in irgendeinem Verhältnis zu einer Frau namens Maire stand. Was Ilion betraf, so sah er in der ganzen Sache keinen Sinn.
* * *
In der Siedlung Drei erlernte Vernor Soames das Maurerhandwerk. Er und ein paar seiner Freunde hatten auf einmal den Drang verspürt, etwas zu bauen. Vernor wußte nicht genau, was. Vielleicht ein Clubhaus.
»Ich habe ihnen gesagt, daß du damit einverstanden wärst und nichts dagegen hättest, wenn sie sich mit etwas Sinnvollem beschäftigen«, hatte Dracun zu Harribon gesagt.
»Wo haben sie die Baustelle denn aufgemacht?« hatte Harribon mit ruhiger Stimme gefragt, was diesem trivialen Vorgang auch nur angemessen war.
»Im Westen der Siedlung. Dort ist freies Gelände, und in der Nähe gibt es eine Art Steinbruch.«
Harribon war nicht nur mit dem Projekt einverstanden, sondern er engagierte auch einen Hobby-Archäologen von der Zentralverwaltung, um die Jungen zu Steinmetzen auszubilden; für das Honorar kam er selbst auf. Die Jungen hatten das
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