Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Hausaufgabenbetreuung heimgekommen bin, habe ich die Neuen gesehen, die gerade in deine alte Wohnung einziehen. Es ist komisch, andere Leute bei dir zu sehen …«
Gaétan hatte sie nie zu sich eingeladen. Seine Eltern hatten ihren Kindern verboten, Freunde mitzubringen. Sie trafen sich im Keller von Paul Merson. Dort hatten sie sich zum ersten Mal geküsst.
Als sie die Leute vom Umzugsunternehmen in Gaétans Wohnung bemerkt hatte, hatte sie den Kopf durch die Tür gesteckt und zwei Männer gesehen, der eine so um die fünfunddreißig, der andere älter. Sie diskutierten darüber, wo die Möbel hinsollten. Sie schienen sich nicht einig zu sein, und ihre Stimmen wurden lauter. Aber wir hatten doch gesagt, das hier soll das Schlafzimmer werden, sagte der Jüngere, also kommt unser Bett jetzt auch hier rein, Ende der Diskussion!
Ihr Bett! Sie schliefen in einem Bett.
»… weißt du, wer jetzt bei dir wohnt? Ein Schwulenpärchen. Ein Alter und ein nicht ganz so Alter … Yves Léger und Manuel Lopez. Das steht unten an der Gegensprechanlage. Sie haben alles neu streichen lassen, alles verändert, der Ältere sagte was von seinem Arbeitszimmer, und der Jüngere erzählte von seinem Fitnessraum. Was glaubst du, was sie wohl arbeiten? Sollen wir Wetten abschließen?«
Sie wollte ihn um jeden Preis auf andere Gedanken bringen.
»… und die Wohnung der Van den Brocks ist ebenfalls verkauft worden. An ein ganz normales Paar, Monsieur und Madame Boisson. Aber eigentlich könnten sie auch Poisson heißen, sie haben total kalte Fischaugen. Sie haben zwei Söhne, die sie sonntags besuchen kommen. Zwei echte Intelligenzbestien, hat Iphigénie mir erzählt, die haben beide studiert. Und du solltest sehen, wie Iphigénie den Mund rund macht, wenn sie so etwas erzählt! Zwei Intelligenzbestien mit Brille, Hemd, Pullover mit V-Ausschnitt und glatt gekämmtem Haar. Immer gleich angezogen. Mit einem Regenschirm über dem Arm. Wenn sie die Treppe heraufkommen, heben sie die Knie ganz hoch. Sie sehen aus wie Schulze und Schultze. Sie nehmen nie den Aufzug. Der Vater scheint ziemlich streng zu sein, sein Mund sieht aus wie ein Reißverschluss, und die Mutter sieht aus, als hätte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gefurzt! Weißt du noch, wie man die Musik im ganzen Treppenhaus hörte, wenn Madame Van den Brock ihre Opern auflegte? Tja, das ist jetzt vorbei, es wird ruhiger zugehen, es sei denn, die beiden Schwulen tanzen Tango!«
Wenn sie ihm mit dieser Serie von Porträts kein Lächeln entlockte, würde sie die Literatur an den Nagel hängen. Sie liebte es, die kleinen Details des Lebens aufzuschreiben. Wie Victor Hugo. Sie liebte Victor Hugo. Und Alexandre Dumas. »Ha ha, sagte er auf Brasilianisch, einer Sprache, die er nicht beherrschte.« Über diesen Satz könnte sie sich jedes Mal totlachen. Sie hatte ihn Gaétan geschenkt, aber er hatte nicht gelacht.
Sie war enttäuscht gewesen.
Sie legte When the Rain Begins To Fall ein, drehte die Lautstärke voll auf und tanzte, wie immer, wenn sie etwas vergessen oder feiern wollte. Sie wiegte sich in den Hüften, sang beide Stimmen mit, war kurz darauf schon schweißgebadet, ihre Kleidung geriet durcheinander, und ihre Strumpfhose kratzte, weil sie so stark schwitzte. Sie ließ den Gummi schnippen, grölte dazu You’ve got to have a dream to just hold on und schickte Gaétan Luftküsse. Er war ihr rainbow in the sky, the sunshine in her life! And I will catch you if you fall …
Zum Abschluss ihrer Mail verabredete sie sich mit ihm auf MSN und fragte ihn, wann er nach Paris komme. Er könne bei ihr wohnen, kein Problem. Dann könne seine Mutter in aller Ruhe mit dem Glatzkopf rummachen. Sie bereute, das geschrieben zu haben, löschte den Satz und unterschrieb mit »In Liebe …«
Als sie gerade auf »Senden« klickte, hörte sie die Wohnungstür. Ihre Mutter kam nach Hause.
Du Guesclin sprang auf und stürmte auf Joséphine zu, die sich gegen die Wand lehnen musste, um nicht von den Beinen gerissen zu werden. Zoé brach in Gelächter aus.
»Mann, dieser Hund hat dich ja so was von lieb! Alles klar, Maman?«
»Ich habe die Nase voll davon, ständig in der Bibliothek herumzusitzen, dafür bin ich einfach zu alt! Und ich will dir noch etwas sagen: Ich habe die Nase voll vom zwölften Jahrhundert.«
»Aber du wirst doch trotzdem deine Habilitation einreichen …?«, fragte Zoé beunruhigt.
»Natürlich! Sei nicht albern! Hast du gesehen? Im Vierten sind Neue
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