Montana Creeds - Das Herz aller Dinge (German Edition)
noch ein paar Besorgungen machen”, wandte Briana ein. Es war nicht rundweg gelogen, denn im Sommer war die Bibliothek von Stillwater Springs auch am Sonntag für die Touristen und die Kasinobesucher geöffnet, die in die Stadt strömten. Sie hatte einen ganzen Stapel Bücher, die sie zurückbringen musste, und sie wollte einige neue Titel ausleihen.
“Ich fahre mit Mom”, rief Josh rasch in die Runde.
Und so fuhr Briana mit Josh hinter Vances Wagen her in die Stadt.
“Ist das für dich so okay?”, fragte Briana ihren Sohn, als sie das Gelände der Stillwater Springs Ranch verließen.
Wann würde bloß mal jemand etwas an diesem hin und her schaukelnden Schild machen?
“Wieso
okay
?”, gab Josh ein wenig schnippisch zurück. Zwei Abende zuvor hatte er noch bei ihr im Bett schlafen wollen, und jetzt war ihm das vermutlich peinlich.
“Ich meine, dass du den ganzen Tag mit deinem Dad und mit Heather verbringen wirst”, antwortete sie geduldig. “Du weißt, du musst das nicht, wenn du nicht willst.”
Josh hob die Schultern hoch. “Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Und du machst nichts anderes, als zur Bibliothek zu fahren?”
“Was ist daran so schlimm? Seit wir nach Stillwater Springs gezogen sind, waren wir mindestens einmal in der Woche in der Bibliothek.”
“Wir sind nicht hergezogen, Mom. Dad hat uns hier
rausgeschmissen
.”
In Wahrheit hatte Brianas intaktes Gefühlsleben sehr viel mit der Bibliothek zu tun, auch schon, bevor Vance sich aus dem Staub gemacht hatte. Bibliotheken waren warme, große und helle Orte, randvoll mit Büchern – und man musste dort kein Geld ausgeben, um zu lesen oder um Zeit zu verbringen. Und Geld war nun einmal das, wovon Briana viel zu wenig hatte. Josh und Alec waren von der hiesigen Bibliothekarin Kristy Madison restlos begeistert gewesen und hatten sich hin und wieder dazugesetzt, wenn sie eine Geschichte erzählte, obwohl sie für “diesen Kram” nach eigener Aussage längst viel zu alt waren.
Würde sich das auch ändern?
Briana bekam bei dem Gedanken daran ein wenig Angst.
“Ich glaube, das hat mit der Bibliothek nichts zu tun”, gestand Josh schließlich ein. “Alec will dich nachher fragen, ob er bei Dad und Heather übernachten kann.”
Es überraschte sie zwar nicht, das zu erfahren, dennoch schürte es ihre Angst und Verunsicherung. Was sollte sie tun, wenn Alec plötzlich ganz bei seinem Vater und seiner Stiefmutter bleiben wollte?
“Mom?”, hakte Josh nach, aber sie antwortete nicht.
Sie fuhren an einer Reihe von Plakaten vorbei, die entlang der Straße aufgestellt waren und hintereinander gelesen Folgendes ergaben:
Außerordentliche Wahl
am 1. Juli.
Haben Sie
sich schon
registrieren
lassen
,
um wählen
zu gehen?
“Was?”, gab Briana zurück. Sie hatte davon gehört, dass Sheriff Book in den Ruhestand gehen wollte, und sie fragte sich, wer sich wohl um den Posten bewerben würde, wenn Book tatsächlich aufhörte.
“Ist das für dich okay?”
Sie schaute Josh an und bemerkte sein besorgtes Gesicht.
“Dass Dad jetzt hier lebt und alles”, führte er aus und musterte sie nervös.
Die Frage musste lauten, ob das für Josh und Alec okay war. Vance hatte eine neue Frau, einen neuen Job und sicher auch die besten Absichten. Aber er liebte das ungebundene Leben viel zu sehr, als dass er lange an einem Ort bleiben wollte, vor allem in einer Kleinstadt wie Stillwater Springs. Der Tag würde kommen, an dem er den ländlichen Staub von seinen Stiefeln klopfte, Heather und seinen Job aufgab und sich wieder auf den Weg machte.
Heather würde auf sich allein gestellt sein, aber Briana würde diejenige sein, die dann Alec und Josh trösten musste.
Sie hielt das Lenkrad fester umschlossen.
“Ob das für dich okay ist, Mom”, beharrte Josh.
“Ja, das ist okay”, brachte sie heraus.
Soeben hatten sie die zum Kasino führende Querstraße passiert. Vor ihnen war immer noch Vances Wagen zu sehen, aus dessen Auspuff eine dicke Rauchwolke quoll. Er
musste
ein guter Mechaniker sein, wenn diese Karre schon seit so langer Zeit durchhielt.
Vor dem Trailer stand noch das “
Zu vermieten”
-Schild im zugewucherten Garten, und vor der Tür lag jede Menge Müll: altes Spielzeug, Kleidung und jedweder Unrat. Es sah aus, als hätte sich der Trailer übergeben.
“Na, großartig”, murmelte Briana. Zugegeben, ihr Haus war auch kein Palast, aber sie mähte regelmäßig den Rasen und achtete darauf, dass kein Müll
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