Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
unendlich kostbare
Hier und Jetzt
.
Die Hintertür stand einen Spalt offen, und sie konnte das Rattern der Waschmaschine hören sowie die Geräusche aus der Küche, und dazu Bonnies helle Stimme, die ihre Lieblingslitanei herunterleierte: “Daddy! Daddy! Daddy! Kaka!”
Kristy lächelte, musste aber gleichzeitig eine Träne wegwischen. Jahr für Jahr hatte sie eine tapfere Miene aufgesetzt und stets beteuert, dass ihr Leben toll, großartig und in jeder Hinsicht perfekt war.
Dann kehrte Dylan nach Stillwater Springs zurück und brachte auch noch Bonnie mit. Und mit einem Mal wusste sie: Ohne die beiden würde ihr Leben nicht mehr toll, großartig und in jeder Hinsicht perfekt sein. Da war eine Verwundbarkeit, mit der sie nicht gerechnet, die sie nicht einmal in Erwägung gezogen hatte. Eine Verwundbarkeit, von der sie nicht wusste, ob sie sie ertragen konnte.
Wie hatte sie nur vergessen können, wie riskant es war, jemanden so sehr zu lieben, dass ihr Herz fast barst? Hatte sie denn gar nichts aus dem Verlust ihrer Eltern und dem Tod von Sugarfoot gelernt? Hatte sie wirklich vergessen, was der jüngere, der wilde Dylan ihr angetan hatte?
Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, knarrte die Fliegengittertür und Dylan kam auf die Veranda.
“Hey!”, sagte er.
Trotz ihrer Verlegenheit darüber, dass er sie dabei ertappt hatte, wie sie ihr eigenes Haus anstarrte, als hätte sie es noch nie zuvor gesehen, riss sie sich zusammen und setzte sich wieder in Bewegung.
“Ist das Essen fertig?”, fragte sie und hoffte, dass sie sich normal anhörte.
“Es gibt meine weltberühmten Bohnen mit Würstchen”, erklärte er und kam ihr ein Stück entgegen, drückte sie an sich und küsste sie auf die Stirn. “Man macht eine Dose Bohnen und eine Packung Würstchen auf, mischt alles gut untereinander und stellt es dann für ein paar Minuten in die Mikrowelle. Ich gehe davon aus, dass man mir in Kürze eine Kochsendung im Fernsehen anbieten wird.”
Kristy lachte – allein schon, um nicht weinen zu müssen. Ihre Gefühle brodelten so dicht unter der Oberfläche, dass Hoffnungen und Befürchtungen sich zu einem einzigen Durcheinander vermischten. Und es war nicht damit zu rechnen, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern würde. “Hört sich fantastisch an”, sagte sie. Sie klang aber wohl nicht sehr überzeugend, denn Dylan fasste sie an den Schultern und schob sie ein wenig von sich weg, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte.
Im Haus begann Sam gut gelaunt zu bellen, Winston fauchte – und dann schlug etwas mit lautem Knall auf den Fußboden.
Dylan machte sofort kehrte und rannte ins Haus, Kristy war dicht hinter ihm. An der Türschwelle schoss Winston wie ein kleiner pelziger Komet an ihnen vorbei nach draußen, während Sam so laut bellte, dass Kristy sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte.
Bonnie saß in ihrem Hochstuhl, doch das hatte sie nicht daran gehindert, nach der Salatschüssel auf dem Küchentisch zu greifen. Die lag jetzt zersplittert auf dem Boden, und alles war mit Salatblättern, Tomatenscheiben und geriebenem Käse übersät.
“Bonnie
böse”
, sagte die Kleine ernst.
Kristy lachte erleichtert auf, weil dem Kind nichts passiert war. Unterdessen wischte Dylan die Bescherung auf.
“Bonnie ist
nicht
böse”, widersprach sie und zog das Mädchen aus dem Hochstuhl, um es an sich zu drücken und ihm einen Kuss zu geben.
“Das wird sich erst noch zeigen”, hielt Dylan dagegen und sammelte die Scherben der zerbrochenen Schüssel ein. “War das etwas Besonderes?”
Sie musste schlucken. Die Schüssel hatte ihrer Mutter und davor ihrer Großmutter gehört – und vermutlich sogar schon ihrer
Urgroßmutter
. Doch sie antwortete das, was jede Frau an ihrer Stelle auch gesagt hätte: “Bonnie ist gesund, das ist das Einzige, was zählt.”
Denk immer daran, Kristy
, hörte sie ihre Mom zu ihr sagen, als sie als Kind beim Schmücken des Weihnachtsbaums einen besonders schönen Anhänger hatte fallen lassen.
Menschen sind wichtig. Dinge sind einfach nur Dinge.
Dylan kniete auf dem Boden und sah zu ihr hoch. “Tut mir leid”, entschuldigte er sich. “Ich hätte erkennen müssen, dass das eine alte Schüssel ist und sie im Schrank lassen sollen.”
“Menschen sind wichtig, Dylan”, erwiderte sie. “Dinge sind einfach nur Dinge.”
Bonnie wollte zu ihrem Dad, aber auf dem Fußboden lagen immer noch Scherben und Splitter, und während Dylan Besen und Kehrblech
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