Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
egal wie schwierig sich die Situation gestaltete und obwohl das Labor wegen der Sparmaßnahmen chronisch unterbesetzt war. Laurie holte die Gewebeproben aus der Tüte und stellte sie neben Maureens Mikroskop auf den Tisch. »Vielleicht nützt es was, wenn ich Ihnen erkläre, warum ich sie lieber früher als später hätte.«
»So viel, wie wir gerade zu tun haben – da wären ein paar zusätzliche Helfer sinnvoller als zusätzliche Worte, aber schießen Sie los.«
Laurie zog alle Register, weil sie wusste, dass es keinen professionellen Grund für das gab, worum sie Maureen bat. Sie begann zu beschreiben, wie sehr Mr und Mrs McGillan gelitten hätten und dass ihr verstorbener Sohn alles in ihrem Leben gewesen sei. Sie erwähnte sogar, dass der Sohn kurz vor seiner Heirat gestanden und die beiden sich so sehr Enkel gewünscht hatten. Dann gab sie zu, dass sie versprochen hatte, dem Ehepaar noch diesen Vormittag die Todesursache mitzuteilen, um ihnen über ihre Trauer hinwegzuhelfen. Das Problem war, dass sie bei der Obduktion nichts herausgefunden hatte. Deswegen brauchte sie die Objektträger in der Hoffnung, dass sie die ersehnten Antworten brachten. Was Laurie aber nicht verriet, waren ihre persönlichen Gründe für diesen kleinen privaten Kreuzzug.
»Na ja, das ist eine ziemlich rührende Geschichte«, meinte Maureen sanft, holte tief Luft und nahm die Proben an sich. »Wir werden sehen, was wir tun können. Ich verspreche Ihnen, dass wir es vorziehen werden.«
Laurie dankte ihr und verließ eilig das Labor. Ein Blick auf ihre Uhr sagte ihr, dass es schon elf vorbei war, und sie wollte Dr. McGillan noch vor zwölf anrufen. Zu Fuß ging sie ein Stockwerk tiefer und betrat das toxikologische Labor. Hier herrschte eine ganz andere Stimmung als oben in der Histologie. Statt dem Geplapper war hier das ständige Brummen der komplizierten und zumeist automatisierten Anlagen zu hören. Laurie brauchte eine Weile, bis sie jemanden entdeckte. Zum Glück war es der Assistent des Laborleiters, Peter Letterman. Wäre es John DeVries gewesen, der Leiter höchstpersönlich, hätte sie gleich wieder kehrtgemacht. Sie und John waren früher einmal aneinander geraten, als sie ganz dringend die Ergebnisse zu einer Reihe von Überdosisfällen gebraucht und John Feuer unter dem Hintern gemacht hatte. Das war am Anfang ihrer Zeit im Gerichtsmedizinischen Institut gewesen, also schon dreizehn Jahre her, aber John hatte an seiner Feindseligkeit festgehalten wie ein Hund an seinem Knochen. Laurie hatte es längst aufgegeben, sich um Wiedergutmachung zu bemühen.
»Meine Lieblingspathologin«, grüßte Peter sie freudig. Er war dünn und hatte sein langes, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er ging zwar schon hart auf die Vierzig zu, doch sein spärlicher Bartwuchs und seine androgynen Gesichtszüge ließen ihn etliche Jahre jünger aussehen. Anders als mit John kam Laurie mit ihm ganz hervorragend zurecht. »Hast du was für mich?«
»Ja, leider«, antwortete Laurie und reichte ihm die Tüte, während sie sich besorgt nach John umschaute.
»Unser Führer ist unten im Allgemeinlabor. Du kannst dich also entspannen.«
»Heute ist mein Glückstag«, freute sich Laurie.
Peter betrachtete sich die Probenfläschchen. »Worum geht’s? Wonach suche ich und warum?«
Bei ihm begnügte sich Laurie mit einer kürzeren Version derselben Geschichte, die sie bereits Maureen erzählt hatte. »Ich erwarte eigentlich gar nicht, dass du was findest«, schloss sie ihren Bericht. »Aber ich muss den Fall von allen Seiten beleuchten, besonders, falls die mikroskopische Untersuchung keine Ergebnisse bringt.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach Peter.
»Ich danke dir«, erwiderte Laurie.
Beruhigt ging sie wieder nach oben. Auf dem Flur, an dem ihr Büro lag, kam sie auch an Jacks Arbeitsplatz vorbei. Die Tür war angelehnt, aber weder Jack noch Chet McGovern, mit dem er das Büro teilte, waren da. Laurie nahm an, dass beide noch unten in der Grube waren. Als sie ihr eigenes Büro betrat, fiel ihr als Erstes ihr Koffer ins Auge, den sie aus Jacks Wohnung mitgebracht hatte. Obwohl sie den Streit am Morgen nicht vergessen hatte, führte ihr der Anblick des Koffers die gesamte Situation in voller Klarheit vor Augen. Und das Gefühl, bei Sean McGillans Obduktion versagt zu haben, weil sie keine unwiderlegbaren Beweise gefunden hatte, hob ihre Stimmung auch nicht gerade. Aber je mehr sie über diesen Fall nachdachte,
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