Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
hauen doch schon vor fünf wieder ab.«
»Ich bin gerade noch mit einem Projekt beschäftigt«, sagte Laurie. »Deshalb gehe ich auch jetzt noch nicht nach Hause. Um ehrlich zu sein, ich bin gerade auf dem Sprung rüber ins NYU Medical Center.«
»Wie kommen Sie da hin? Ich weiß nicht, wie es jetzt aussieht, aber vor einer Stunde hat es draußen noch genieselt.«
»Ich gehe zu Fuß«, meinte Laurie. »Für die kurze Strecke lohnt sich kein Taxi.«
»Ich könnte Sie kurz rüberfahren«, bot Pete an. »Wir hocken sowieso bloß hier rum, und so langsam habe ich keine Lust mehr, mit diesem eingefleischten Boston-Fan hier zu reden.«
»Und wenn ein Anruf reinkommt?«, erwiderte Laurie.
»Was soll’s? Ich hab ja ein Funkgerät.«
Zwei Sekunden später hatte Laurie ihre Entscheidung gefällt. »Können wir jetzt sofort los?«
»Aber auf jeden Fall«, meinte Pete und sammelte seinen Müll ein.
Es war in vielerlei Hinsicht verrückt, mit dem Auto zu fahren, schließlich befand sich der Eingang des Medical Center im gleichen Straßenzug wie das OCME, und als sie jetzt aus der Leichenwagenschleuse auf die 30 th Street fuhren, regnete es nicht einmal mehr. Ja, im Westen war sogar ein Stück fahlen, blaugrünen Himmels zu sehen, das sich langsam näher schob.
»Das ist wirklich ziemlich absurd«, sagte Laurie, als Pete fast unmittelbar nach Beginn der keine zweihundert Meter langen Fahrt auf der First Avenue die gebogene Auffahrt vor dem Eingang des Medical Center hinauffuhr. Er war nicht schneller als dreißig Stundenkilometer gefahren. »Tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände gemacht habe.«
»Ach was, nicht der Rede wert«, versicherte Pete. »Ich bin froh, dass ich Jeff, dem alten Penner, entkommen bin. Der ist so sicher, dass die Sox die Yankees schlagen, dass er seine Klappe überhaupt nicht mehr halten kann.«
Laurie sprang aus dem Lieferwagen, bedankte sich bei Pete und winkte ihm mit der Schachtel, in der die Objektträger lagen, zu, bevor sie durch die Drehtür eilte. Die Eingangshalle war voller Besucher, doch Laurie ließ die Menge schnell hinter sich und machte sich auf den Weg in die Forschungsabteilung. Mit dem Fahrstuhl gelangte sie in den fünften Stock. Beim Aussteigen fiel ihr auf, dass es in diesem Korridor genauso still war wie vor ihrem eigenen Büro. Die meisten Türen waren geschlossen, sie begegnete keinem einzigen Menschen.
Der renommierte Forscher saß in einem kleinen, fensterlosen Zimmerchen, das früher einmal ein Lagerraum gewesen sein mochte. Der alte Mann hatte die Wände mit seinen Diplomen, Preisen und Ehrenurkunden geschmückt, alle in einfachen Glasrahmen mit schwarzem Rand. Eine Wand wurde von einem riesigen, frei stehenden Bücherregal dominiert, in dem all seine bevorzugten pathologischen Werke standen. Etliche davon waren in Leder gebunden. Den größten Teil des übrigen Raumes nahm ein großer Mahagonischreibtisch ein, auf dem sich zahlreiche Neuausgaben sowie Notizblöcke mit geheimnisvollen Zeichen stapelten.
Bei Lauries Eintreten erhob er sich und streckte ihr die Hand entgegen. Sie war verblüfft, welche Ähnlichkeit er, bedingt durch seinen weißen Haarschopf, mit Einstein besaß. Außerdem hatte er einen Rundrücken, als ob seine ganze Anatomie darauf ausgelegt sei, in ein Mikroskop zu schauen.
»Wie ich sehe, haben Sie die Gewebeproben dabei«, sagte er und bedachte Lauries Schachtel mit den Objektträgern mit gierigen Blicken.
In Erwartung ihres Eintreffens hatte er sein imposantes Mikroskop auf ein extra angefertigtes Regal gestellt, das sich am einen Ende des Schreibtisches befand. Es war ein Lehrmikroskop mit zwei Stereo-Okularen. Darauf war eine ebenso imposante Digitalkamera montiert, die auf den gleichen Bildausschnitt gerichtet war wie die beiden Okulare.
»Wollen wir?«, fuhr er fort und bedeutete Laurie, sie solle sich auf den Platz auf ihrer Seite des Mikroskops setzen.
Laurie setzte sich. Aus dem Augenwinkel registrierte sie seine gespannten Blicke, während sie die Schachtel öffnete und vorsichtig einen der mit Filzstiftmarkierungen versehenen Objektträger herausholte. Da es Malovars Mikroskop war, reichte sie ihm die Probe, und er legte sie begierig auf den beweglichen Objekttisch und richtete sie nach den Filzstiftmarkierungen aus. Nachdem er die schwächere Linse abgesenkt hatte, bat er sie, mithilfe des Drehgriffs den Abstand so einzustellen, dass das, was sie interessierte, gut zu erkennen war.
Laurie hatte mittlerweile Übung im
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