Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Angela kennengelernt hatte, in der Kreditsicherungsabteilung des Finanzdienstleisters Morgan Stanley tätig, hatte aber nie einen weiterführenden Abschluss gemacht. Seine Neugier in Bezug auf Angelas Studium und ihren MBA-Abschluss war eine Mischung aus wirklichem Interesse und einer Art Eifersucht. Wie ihr Vater, so hatte auch Michael Angelas medizinischen Doktortitel als Herausforderung empfunden, besonders, wenn seine Freunde ihn damit aufzogen, dass sie wohl das Hirn und er die Muskeln habe. Obwohl die Scheidung damals bereits vollzogen war, hatte sie mit ihrem Master of Business Administration – also dem Gebiet, auf dem er sich für den Fachmann hielt – seine Verunsicherung angesichts ihres akademischen Erfolges zu neuem Leben erweckt. Ihre Diskussionen hatten unweigerlich zu beiderseitiger Verärgerung geführt, bis Angela ihm einmal eine Geschäftsidee präsentiert hatte, die sie im Rahmen eines ihrer Seminare ausgearbeitet hatte. Danach war Michael so beeindruckt gewesen, dass er sie ausdrücklich dazu ermutigt hatte, ihre Idee in die Tat umzusetzen. Er sagte, er könne ihr über seine »exklusiven« Klienten das Startkapital besorgen. Er hatte ihr nie verraten, was unter »exklusiven Klienten« zu verstehen war, aber Angela hatte allen Anlass, zu glauben, dass er nicht nur große Töne spuckte. Michael hatte damals schon nicht mehr bei Morgan Stanley gearbeitet, sondern eine eigene, kleine und edle Kapitalvermittlungsagentur gegründet. In dieser Eigenschaft kooperierte er bei diversen Börsengängen eng mit seinem früheren Arbeitgeber Morgan Stanley und verdiente sehr gut daran.
Durch Michaels Drängen ermutigt, hatte Angela mit etlichen ihrer Professoren gesprochen, die von ihrem Entwurf ebenfalls fasziniert waren, und hatte ihre Kontakte zur Gründung von Angels Healthcare genutzt. Michael hielt sein Wort und beschaffte bei seinen Klienten einen Teil des Startkapitals. Er war es auch, der schließlich den so wichtigen Großinvestor – ein Konsortium, bestehend aus eben diesen Klienten – aufgetrieben hatte, der alles in allem fünfzehn Millionen zuzüglich des vor Kurzem gewährten Überbrückungskredits, rückzahlbar in Aktien nach eigenem Ermessen, zur Verfügung gestellt hatte. Der eigentliche Erfolg jedoch war Angela zu verdanken, die den Rest des Startkapitals beschafft hatte. Während ihres Wirtschaftsstudiums hatte sie nebenbei in der Universitätsklinik gearbeitet und dabei – ganz die geborene Unternehmerin – eine ganze Reihe investitionswilliger Ärzte zusammengetrommelt, die wiederum bei anderen Kollegen Interesse für das Projekt wecken konnten, die wiederum noch mehr Ärzte aus anderen Einrichtungen ansprachen. So war eine regelrechte Lawine entstanden. Aber all diese Ärzte investierten nicht nur ihr Geld, sie beschafften den Kliniken nach der Fertigstellung auch scharenweise Patienten, und das war der entscheidende Faktor dieser Geschäftsidee und der Schlüssel für den Erfolg des Unternehmens.
Angela stieg aus dem Taxi und stand vor einem großen Bürogebäude aus Marmor und Glas, unweit der Stelle, wo einst die Türme des World Trade Center gestanden hatten. Michael teilte sich mit etlichen anderen unabhängigen Finanzmaklern ein größeres Büro. Sie verfügten alle über ihre privaten Büroräume, teilten sich aber die gemeinsam genutzten Räume und die Sekretärinnen. Diese Regelung brachte allen Vorteile, da sich keiner von ihnen alleine diese Gegend oder eine komplette Einrichtung hätte leisten können.
Aus Michaels Büro hatte man einen beeindruckenden Blick auf den Hudson und die Freiheitsstatue auf ihrer briefmarkengroßen Insel mitten im Fluss. Am anderen Ufer waren schemenhaft die Wohntürme von New Jersey zu erkennen.
Michaels Tür stand offen, und da die gemeinsame Sekretärin ein beträchtliches Stück weit entfernt war, trat Angela einfach ein. Ihr Ex telefonierte gerade, hatte sich in seinem Schreibtischsessel zurückgelehnt und die gekreuzten Beine auf die Ecke seines Schreibtisches gelegt. Das Jackett über die Rückenlehne gehängt, die Krawatte gelockert und den obersten Hemdknopf aufgeknöpft, so bot er ein Bild legerer Lässigkeit. Ohne sein Gespräch zu unterbrechen, bedeutete er Angela, sie möge auf dem Sofa Platz nehmen.
Angela nahm den Mantel ab, legte ihn über die Sofalehne, stellte ihren Aktenkoffer auf den Boden und setzte sich. Auf dem Kaffeetischchen direkt vor ihr lagen die üblichen Insignien der Männlichkeit, darunter auch eine Karaffe
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