Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Fahnenstange angelangt.«
»Können Sie nicht eine Ausnahme machen?«, fragte Angela. Es war schrecklich, so zu betteln, aber sie hatte keine andere Wahl. »Wir arbeiten jetzt seit fast fünf Jahren zusammen. Sie kennen die wirtschaftlichen Zusammenhänge unseres Gesundheitswesens. Sie wissen, wie gut wir uns positioniert haben. Wir gehen als erstes Unternehmen für Spezialkliniken an die Börse, nachdem der Senat im vergangenen Oktober sein Moratorium aufgehoben hat. Sie wissen, dass wir unter Garantie fast grenzenlose Gewinne machen werden, weil die Krankenversicherungen Fallpauschalen abrechnen und dieses System besonders dann lukrativ ist, wenn man sich als Klinik auf die eigentlichen Eingriffe beschränken kann. Sie wissen auch, dass Angels Healthcare sich zu einem Großunternehmen entwickeln wird, und Sie wissen, dass wir auch in Zukunft der Manhattan Bank and Trust und Ihnen als unserem Sachbearbeiter treu bleiben werden. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Das können Sie sogar schriftlich haben.«
»Wie sieht es denn mit Ihren persönlichen Sicherheiten aus?«, wollte Roger wissen. »Ich könnte Ihnen eine private Hypothek auf Ihr Haus besorgen. Ich stelle die Unterlagen persönlich zusammen. Das Geld könnten Sie am …«
»Das wird nichts nützen«, unterbrach ihn Angela. »Ich habe mein gesamtes privates Vermögen bereits beliehen, sogar meinen Schmuck. Alles!«
Einige Minuten lang herrschte Schweigen in Rogers Büro. Das einzige Geräusch war das Ticken der Tiffany-Uhr auf seinem Schreibtisch. Ein schmaler Sonnenstrahl fiel herein. Eine Million Staubkörnchen tanzten stumm darin herum.
Roger ließ sich gegen die Rückenlehne sinken und breitete die Arme aus. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich bedaure. Einen Kredit ohne Sicherheiten kann ich nicht genehmigen. Nicht, dass ich nicht wollte: Es liegt nur nicht in meiner Macht. Es tut mir leid, Angela. Ich bewundere Sie wirklich sehr, als Ärztin, als Unternehmerin und als angenehmen Mitmenschen. Aber das kann ich nicht machen.«
»Wie wäre es denn mit einem Ihrer Vorgesetzten? Es gibt doch bestimmt jemanden hier in der Bank, der einen solchen Kredit autorisieren kann, vor allem angesichts der Gewinne, die Sie kurzfristig bereits mit uns erzielt haben und langfristig noch erzielen werden.«
»Ich werde es versuchen«, erwiderte Roger wenig zuversichtlich. »Ich lege die Anfrage meinen Vorgesetzten vor.«
»Sprechen Sie auch eine Empfehlung aus?«, wollte Angela wissen.
»Ich werde empfehlen, die Anfrage zu prüfen«, sagte Roger und drückte sich so um eine Antwort.
»Danke«, sagte Angela. Sie erhob sich, brachte ein schiefes Lächeln zustande und reichte Roger über seinen makellosen Schreibtisch hinweg die Hand. In diesem Augenblick registrierte sie, dass das Foto in dem einsamen Rahmen auf seinem Schreibtisch nur ein junges Mädchen zeigte. Keine Frau, keine Familie.
»Allerdings müssen Sie auch wissen, dass es, selbst dann, wenn der Kredit genehmigt würde, bestimmt mehrere Wochen dauern würde, bis das Geld tatsächlich ausgezahlt würde. Es tut mir leid, Angela. Bitte nehmen Sie es nicht persönlich. Wenn es meine Entscheidung wäre, ich würde sofort zusagen.«
Angela ging zur Tür. Fünf Minuten später stand sie auf der Straße und versuchte, ein Taxi in Richtung Downtown zu bekommen. Der Besuch bei der Bank war genau so gelaufen, wie sie erwartet hatte, trotzdem war sie enttäuscht. Aber wenigstens hatte der Termin bei Roger in einer herzlichen Atmosphäre stattgefunden. Das war bei ihrer zweiten Verabredung an diesem Vormittag nicht zu erwarten – herzlich waren die Treffen mit ihrem Exmann Michael Calabrese eigentlich nie. So sehr Angela ihre Tochter auch liebte und wertschätzte, so bedauerte sie doch oftmals, dass sie wegen des Kindes ständig Kontakt zu einem Mann halten musste, den sie am liebsten niemals kennengelernt, geschweige denn geheiratet hätte. Natürlich hatte sie selbst das Ganze noch dadurch verschlimmert, dass sie ihn – wider besseres Wissen – in den Anfangstagen von Angels Healthcare zum Kapitalmakler ihres frisch gegründeten Unternehmens gemacht hatte.
Ihre Zusammenarbeit war keineswegs das Resultat gründlicher Überlegungen gewesen. Da das gemeinsame Sorgerecht auch regelmäßigen Kontakt erforderlich machte, hatte Michael die Gelegenheit benutzt, Angela über ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrem Wirtschaftsstudium auszufragen. Michael war zwar seit seinem Bachelor-Abschluss an der Columbia, wo er
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