Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
er wollte einfach nur auf eine Krankenstation, und als die Tür sich aufschob, da war ihm klar, dass er eine kluge Entscheidung getroffen hatte. Er ging hinüber an den geschäftigen Stationstresen. Der erste Schwung Patienten war vor kaum mehr als einer Stunde nach oben in die Operationssäle geschickt worden, und der zweite Schwung wurde gerade vorbereitet. Es herrschte leichtes Chaos.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Jack zu der gehetzt wirkenden Stationsschwester. »Ich brauche einen Rollstuhl für meine Mutter.«
»Im Wandschrank, gleich neben den Fahrstühlen«, erwiderte sie und zeigte mit ihrem Kugelschreiber in die entsprechende Richtung.
Ohne Eile ging Jack auf den Schrank zu und zog einen der Rollstühle heraus. Auf dem Sitz lag eine zusammengefaltete Decke mit Waffelmuster. Er nahm den Rollstuhl mit hinunter ins Kellergeschoss und stellte ihn in den Kühlraum mit den beiden Leichen.
Dann verließ er die Klinik durch den Haupteingang, ging zum Parkplatz, stieg in den Lieferwagen, den ihm der Portier des Amal Palace Hotel besorgt hatte, und fuhr die Rampe hinunter, die auf die Rückseite der Klinik führte. Dort stellte er den Lieferwagen neben dem Wagen des Klinik-Verpflegungsservices ab, und zwar so, dass die Heckklappe der Laderampe zugewandt war.
Als er dann durch die Doppeltür die Klinik betrat, begrüßte er erneut mit einem Lächeln den älteren Wachmann. Jetzt waren sie sogar noch bessere Kumpels, da war er sich sicher. Das zahnlose Lächeln des Wachmannes war noch breiter als vorhin.
Er ging den Flur entlang zum Fahrstuhl, der ihn ins Erdgeschoss bringen sollte. Dort wollte er sich nach Dr. Rams Praxisräumen erkundigen. Unterwegs holte er sein Handy und den Zettel mit Neil McCulgans Nummer hervor.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt«, sagte Jack, nachdem Neil sich gemeldet hatte.
»Überhaupt nicht«, antwortete Neil. »Ich bin im Fitnessraum und sitze gerade auf einem Heimtrainer. Um neun bin ich mit Jennifer verabredet.«
»Sie haben doch gestern Abend gefragt, ob Sie uns irgendwie behilflich sein könnten.«
»Auf jeden Fall«, erwiderte Neil. »Was brauchen Sie denn?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Jennifer die Sachen ihrer Großmutter schon bekommen hat. Ich brauche einen Satz Kleider für sie. Könnten Sie Jennifer darum bitten und die Sachen dann hierher ins Queen Victoria Hospital bringen? Laurie und ich sind jetzt in der Sprechstunde von Dr. Ram. Ich kann Ihnen aber leider nicht sagen, in welchem Stockwerk die Praxis ist.«
»Kleider? Wozu brauchen Sie denn Kleider?«
»Nicht für mich. Für sie. Sie wird doch in ungefähr einer Stunde entlassen.«
Als Veena an diesem Tag zur Arbeit ging, war sie von Cal mit eindeutigen Instruktionen versehen worden. Sie sollte herausfinden, was mit Maria Hernandez’ Leichnam geschehen war. Darum hatte er sie gebeten, obwohl er ihr, Samira und Raj noch am Abend zuvor unmissverständlich deutlich gemacht hatte, dass sie gerade nicht nach den sterblichen Überresten ihrer Patienten fragen und so Aufmerksamkeit auf sich lenken sollten. Doch da heute diese amerikanischen Kriminalpathologen erwartet wurden, war dieser Tag der entscheidende, das war ihm klar.
Er wollte joggen gehen und schnürte seine Laufschuhe zu, während er pausenlos überlegte, was Veena wohl heute Abend zu berichten hatte. Er hoffte und war auch einigermaßen zuversichtlich, dass die Ereignisse des Tages dem Problem ein Ende bereiten würden. Er wünschte sich, man würde die Leiche verbrennen oder wenigstens einbalsamieren.
Bei dem Gedanken an Maria Hernandez musste er automatisch auch an Jennifer Hernandez und an die Frage denken, wieso sie überhaupt Verdacht geschöpft hatte. Während der morgendlichen Sitzung im Wintergarten hätte er seinen Plan beinahe angesprochen, hatte sich aber im letzten Augenblick dagegen entschieden. Er fürchtete sich vor Petras und vor allem Santanas Reaktion, wenn er ihnen gesagt hätte, dass die Hernandez verschwinden musste, sobald er von ihr erfahren hatte, was er unbedingt aus ihr rausholen wollte.
Cal trabte ein paar Sekunden lang auf der Stelle. Die Schuhe waren neu, und er wollte sichergehen, dass sie wirklich bequem saßen. Es fühlte sich gut an. Er schnappte seine Wasserflasche und machte sich auf den Weg zur Haustür. Doch er schaffte es nicht ganz. Das unbarmherzige Klingeln des Telefons ließ ihn erstarren und löste eine rasante innere Debatte aus: Gehe ich ran oder überlasse ich das dem
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