Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Nachbarsuite bewohnte, konnte die Musik hören, als stünde das Gerät bei ihr im Zimmer. Deshalb bemühte sich Cal auch jedes Mal, das Ding abzustellen, sobald er halbwegs bei Bewusstsein war. Aber manchmal schlief er trotzdem wieder ein.
An diesem Morgen bestand diese Gefahr jedoch nicht. Er war noch viel zu aufkratzt von den Ereignissen des gestrigen Abends, um länger schlafen zu können. Er starrte hinauf an die Zimmerdecke und dachte darüber nach, was gestern alles passiert war.
Was ihm echte Sorgen bereitete, war, wie knapp sein Projekt durch Veenas Selbstmordversuch am Scheitern vorbeigeschrammt war. Hätte er nicht zum richtigen Zeitpunkt nach ihr gesehen, dann wäre sie gestorben. Zweifellos hätte ihr Tod zu einer Untersuchung geführt, und eine Untersuchung wäre eine echte Katastrophe gewesen. Sie hätte für Nurses International in jedem Fall das Ende bedeutet und dabei zumindest seine Fortschritte auf dem Weg zu seinem großen Ziel – ein Leben in Wohlstand, um nicht zu sagen Reichtum, als Vorstandsvorsitzender der SuperiorCare Hospital Corporation – verlangsamt.
Cal hatte ursprünglich gar kein Interesse am Gesundheitssektor gehabt und hatte auch nach wie vor keine Lust, sich um irgendwelche Patienten oder Krankenschwestern zu kümmern. Was ihn interessierte, war das Geld, das dabei floss – zwei Milliarden Dollar jährlich alleine in den Vereinigten Staaten –, sowie das stetige Wachstum in dieser Branche. Als er noch auf der Highschool gewesen war, da hatte er in die Werbung gehen wollen und folgerichtig an der UCLA und an der Rhode Island School of Design studiert. Doch schon nach kurzer Tätigkeit in diesem Bereich hatte er dessen Grenzen erfahren, vor allem in finanzieller Hinsicht. Er gab die Werbung auf, nicht aber die Prinzipien der Manipulation, die deren Grundlagen bildeten. Dann durchlief er die Harvard Business School und hatte dort seine erste Begegnung mit den atemberaubenden Summen, die im Gesundheitssektor umgesetzt wurden. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums bewarb er sich um einen Einsteiger-Job bei der SuperiorCare Hospital Corporation, einem der größten Wettbewerber in diesem Bereich. Das Unternehmen besaß Krankenhäuser, Tageskliniken und Krankenversicherungen in fast jedem Bundesstaat und jeder großen Stadt der Vereinigten Staaten.
Um seine kreativen Neigungen optimal nutzen zu können, suchte sich Cal zum Einstieg in die Firma die Public-Relations-Abteilung aus. Hier sah er die besten Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen und dadurch die Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung auf sich zu ziehen. An seinem ersten Arbeitstag prahlte er damit, dass er in zehn Jahren Chef der Firma sei, und nach zwei Jahren sah es so aus, als könnte seine Prophezeiung tatsächlich eintreffen. Da saß er – gemeinsam mit einer aufsehenerregenden Frau namens Petra Danderoff, die fünf Jahre älter und drei Zentimeter größer war als er mit seinen eins dreiundachtzig und die bei seinem Einstieg bereits in der PR-Abteilung gearbeitet hatte – auf dem Stuhl des Abteilungsleiters, und zwar dank einer ganzen Reihe extrem erfolgreicher Anzeigenkampagnen, die die beiden entwickelt hatten und die die Anzahl der Beitritte zu etlichen Krankenversicherungen des Unternehmens beinahe verdoppelt hatten.
Manche wunderten sich über seinen kometenhaften Aufstieg, aber Cal nicht. Er war schon seit seinen ersten Lebensjahren an Erfolg gewöhnt. Das lag zum Teil auch an dem Selbstbewusstsein und dem Ehrgeiz, die in seiner genetischen Struktur verankert waren und die sein gleichermaßen ehrgeiziger Vater bis zur Besessenheit geschliffen hatte. Von frühester Kindheit an hatte er überall gewinnen wollen, besonders im Wettbewerb mit seinen älteren Brüdern. Von Brettspielen wie Monopoly bis zu Schulnoten, von der Leichtathletik bis zu den Weihnachtsgeschenken für seine Eltern, Cal wollte überall die Nummer eins sein, und zwar mit einer Unbeirrbarkeit, mit der sich nur wenige messen konnten. Der Erfolg verstärkte nur seinen Hunger auf noch mehr Erfolg, bis er im Lauf der Jahre auch das letzte bisschen Bewusstsein für die Notwendigkeit moralischer Prinzipien verloren hatte. In seiner Vorstellung waren Betrug, den er nicht so bezeichnete, und die Nichtbeachtung ethischer Grundsätze, die von seinem Standpunkt aus höchstenfalls Beschränkungen für Weicheier waren, lediglich Mittel zum Erreichen eines persönlichen Zwecks.
Seinen Vorgesetzten in der Führungsspitze der SuperiorCare
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