Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
irgendwie unehrlich vor. Sie will von mir eine Entscheidung in Bezug auf meine Großmutter und will das vielleicht nicht mit irgendwelchen anderen Dingen vermischen. Ich weiß auch nicht.«
»Was meinst du, kannst du sie noch länger hinhalten?«
»Keine Ahnung, ehrlich. Ich bin ziemlich überreizt, und ich weiß, dass die Klinikverwaltung auch gereizt ist, zumindest diese Patientenbetreuerin. Warum fragst du?«
»Weil ich mich so schnell wie möglich ins Flugzeug setzen werde, um dich zu unterstützen. Das bin ich Maria einfach schuldig. Du darfst nicht vergessen, dass sie für mich genauso sehr eine Mutter war wie für dich und deine Brüder. Hör zu, ich komme zu dir, es sei denn, du traust dir nicht zu, mit einer Wahnsinnigen im Hormonrausch klarzukommen.«
Jennifer war sprachlos. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass Laurie bereit sein könnte, wegen ihr bis nach Indien zu reisen. »Hormone hin oder her, das spielt für mich überhaupt keine Rolle, aber es ist wirklich ein verdammt langer Flug«, sagte sie warnend. »Ich meine, bitte versteh mich nicht falsch, ich würde mich wahnsinnig über deine Hilfe und deine Unterstützung freuen.«
»Wahrscheinlich ist sie sogar eine der längsten Flugstrecken überhaupt«, erwiderte Laurie. »Aber wie schlimm kann es schon werden? Ich habe gerade erst gelesen, dass Air India eine neue Nonstop-Verbindung zwischen New York und Neu-Delhi eingerichtet hat.«
»Das ist dann wahrscheinlich besser als mit meinen beiden Zwischenlandungen.«
»Wo wohnst du?«
»Im Amal Palace. Das beste Hotel, in dem ich je war. Aber ich bin ja bisher auch nur selten in einem abgestiegen.«
»Moment mal!«, sagte Laurie plötzlich, und ihre Stimme klang mit einem Mal empört. »Was rede ich denn da? Ich kann ja gar nicht so mir nichts, dir nichts nach Indien fliegen. Ich bin doch mitten in einer Fruchtbarkeitsbehandlung.«
»Genau. Das hast du ja erzählt, ich hatte es nur schon wieder vergessen«, meinte Jennifer. Sie war zutiefst enttäuscht. Laurie hier bei sich zu haben, wäre wirklich fantastisch gewesen.
»Aber weißt du was?«, fuhr Laurie fort. »Ich glaube, ich kann trotzdem kommen, vorausgesetzt, ich kann auch meine Spermafabrik mitbringen. So nennt Jack sich seit ein paar Monaten. Und das heißt, es liegt ganz bei Dr. Calvin Washington, unserem stellvertretenden Chef. Mich alleine würde er sofort gehen lassen, das weiß ich, aber ob er so kurzfristig auf uns beide verzichten will … keine Ahnung. Trotzdem, einen Versuch ist es wert. Wir machen Folgendes: Entweder, wir kommen zu zweit, oder wir kommen gar nicht. Tut mir leid. Kannst du mit der Ungewissheit leben?«
»Natürlich«, sagte Jennifer. »Du kannst Dr. Washington ausrichten, dass ich ganz lieb bitte, bitte sage und dass er euch gehen lassen soll.«
»Prima Idee. Er hat deine Praktikumswoche im OCME nie vergessen, und das ist immerhin vierzehn Jahre her.«
»Ich auch nicht. Nächstes Jahr im Juni mache ich mein Examen. Dann hat sich das Ganze endlich gelohnt.«
»Und ich werde dabei sein«, sagte Laurie. »Also, wie ist es denn mit der Zeitrechnung? Wie schnell können wir da sein, vorausgesetzt, es klappt? Hast du da eine Vorstellung?«
»Ja«, meinte Jennifer. »Verbessere mich ruhig, wenn ich was Falsches sage, aber bei euch ist es doch immer noch Dienstag, oder?«
»Ja, genau. Kurz vor Mitternacht.«
»Wenn ihr morgen Abend, also am Mittwoch, losfliegt, dann kommt ihr am Donnerstag irgendwann mitten in der Nacht hier an.«
»Meinst du, du kannst sie noch bis dahin hinhalten? Granny soll weder verbrannt noch einbalsamiert werden, solange wir uns die Möglichkeit einer Obduktion offenhalten wollen.«
»Ich werde jedenfalls mein Bestes tun. Hey, ich hole euch sogar vom Flughafen ab.«
»Das besprechen wir, sobald wir sicher wissen, dass wir kommen.«
»Laurie?«, sagte Jennifer, kurz bevor sie eigentlich auflegen wollte. »Kann ich dich noch etwas Persönliches fragen?«
»Selbstverständlich.«
»Denkst du jetzt irgendwie schlecht von mir? Ich meine, weil ich mich auf diese ganzen Nebenschauplätze stürze und meine Trauer um Maria dadurch ein bisschen verdrängt habe? Was ich damit sagen will … die meisten Menschen wären wahrscheinlich so überwältigt von ihren Gefühlen, dass sie sich gar keine Gedanken darüber machen könnten, ob der geliebte Verstorbene vielleicht obduziert werden soll oder nicht. Bin ich da irgendwie komisch?«
»Aber nein! Ganz sicher nicht! Ich würde ganz
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