Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Zeit?«
»Aber klar, ich bin ganz Ohr.«
»Die Verantwortlichen in der Klinik haben mich ziemlich heftig unter Druck gesetzt, und das kann ich zugegebenermaßen nicht besonders gut ertragen. Sie haben außerdem auch einen guten Grund dafür. Ich meine, diese Privatklinik ist wirklich beeindruckend und technisch auf dem allerneuesten Stand. Aber auf eine Leichenhalle hat man verzichtet. Anscheinend werden die Verstorbenen in Indien aus religiösen Gründen von den Angehörigen immer sehr schnell abgeholt.«
»Vielleicht haben die Klinikbetreiber auch gedacht, dass im spirituell geprägten Indien mit diesen vielen Göttern gar keine Patienten sterben.«
Jennifer kicherte kurz, dann fuhr sie fort: »Grannys Leiche liegt jedenfalls in einem Kühlraum neben einer Cafeteria, zwischen lauter eingeschweißten Lebensmitteln. Anscheinend ist das der einzige halbwegs geeignete Ort.«
»Igitt«, ließ sich Laurie vernehmen.
»Da der Totenschein auch schon vorliegt, will die Klinik Granny jetzt natürlich möglichst schnell loswerden.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Aber schon vor meiner Ankunft wollten sie unbedingt eine Entscheidung erzwingen, und seit ich hier bin – und das sind erst ein paar Stunden –, bekomme ich nichts als Druck, Druck, Druck, einäschern oder einbalsamieren. Ich meine, am liebsten hätten sie es schon gestern erledigt, aus Angst, der Himmel könnte ihnen auf den Kopf fallen. Am Anfang war ich vielleicht wirklich ein bisschen sperrig, weil ich so wütend war, dass sie meine Granny auf dem Gewissen haben. Aber mittlerweile ist da noch was anderes dazugekommen.«
»Was denn? Worauf willst du hinaus?«
»Ich habe mich nach Marias Todesursache erkundigt, und da hieß es: Herzinfarkt. Dann habe ich mich nach der Ursache für den Infarkt erkundigt. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, dass sie mich in L.A. besucht hat und am UCLA Medical Center gründlich untersucht worden ist. Ihr Herz-Kreislauf-System hat damals, soweit ich weiß, sogar eine Eins mit Sternchen bekommen. Also, wie kann es sein, dass so jemand ein paar Monate später eine glatte Sechs bekommt, zwölf Stunden nach einer elektiven Operation? Wenn es während der OP passiert wäre, wäre das noch eher nachvollziehbar, als Überreaktion auf ein bestimmtes Medikament vielleicht, aber doch nicht zwölf Stunden danach. Zumindest glaube ich das nicht.«
»Das sehe ich auch so«, meinte Laurie. »Wenn offensichtliche Risikofaktoren ausgeschlossen sind, dann muss man die Frage nach dem Warum stellen.«
»Und genau das habe ich getan, aber eine zufriedenstellende Antwort habe ich nicht bekommen, zumindest nicht von der Patientenbetreuerin. Sie hat nur gesagt, sie sei keine Ärztin, und dachte wohl, das reicht. Da habe ich dann eine Obduktion vorgeschlagen.«
»Gut so«, sagte Laurie. »Wenn es offene Fragen gibt, dann ist das genau der richtige Schritt.«
»Glaubst du«, erwiderte Jennifer sarkastisch. »Die Patientenbetreuerin, Kashmira Varini, hat gesagt, dass die Entscheidung über eine Obduktion nicht bei den Ärzten oder den Angehörigen liegt, sondern nur von der Polizei oder einem Gericht getroffen werden kann. Und außerdem hat sie gesagt, dass in Grannys Fall bereits ein unterzeichneter Totenschein vorliegt und dass es deshalb auch keine Obduktion geben wird. Klappe zu, Affe tot!«
»Das gerichtsmedizinische System in Indien soll ziemlich rückständig sein, das habe ich auch schon gehört. Zu schade. Dadurch sind Justizirrtümer praktisch vorprogrammiert. In vielen Entwicklungsländern sind Polizei und Gerichte fast durchgehend korrupt und stecken oft genug sogar unter einer Decke.«
»Da wäre noch was«, sagte Jennifer. »Gestern Abend, also nur einen Abend später, ist im gleichen Krankenhaus wieder ein Patient gestorben, und zwar seltsamerweise unter ganz ähnlichen Umständen. Zuerst meine Granny und dann gestern ein gewisser Herbert Benfatti. Beide hatten anscheinend am Abend nach ihrer Operation einen Herzinfarkt, und auch bei Mr Benfatti ist erst vor Kurzem ein präoperatives Angiogramm mit weitgehend normalen Werten gemacht worden.«
»Ist denn der zweite Patient obduziert worden?«
»Ich habe keine Ahnung. Als ich mich bei Grannys Patientenbetreuerin erkundigt habe, hat sie gesagt, dass sie nichts darüber weiß, aber das habe ich ihr nicht abgenommen.«
»Wieso nicht?«
»Das war mehr so ein Gefühl, würde ich sagen, also nicht gerade eine wissenschaftliche Begründung. Sie kommt mir einfach
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