Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
sich durch die nach Osten liegenden Bürofenster, er musste die Augen zusammenkneifen. »Schon irgendein Zeichen von Satoshi?«, rief er zu ihr rüber.
Jacqueline, die gerade telefonierte, winkte nur ab und schüttelte den Kopf als stumme Aussage, sie hätte ihn auch noch nicht gesehen.
Während er zu seinem Schreibtisch zurückging, überlegte Ben scherzhaft, dass er sich in Bezug auf Satoshi wie der Vater eines Teenagers fühlte, der sich ständig darüber Sorgen machte, wo der Jüngling steckte und was er gerade tat. Es ging mittlerweile auf zehn Uhr zu und Satoshi war weder erschienen, noch hatte er angerufen. Ben seufzte. Er wusste, dass seine Nervosität wie jeden Tag solange anhalten würde, bis Satoshi endlich im Büro erschien, und das, obgleich der Mann hier eigentlich keine Aufgabe hatte. Ben hatte ihn gebeten, sich telefonisch abzumelden, wenn er nicht kommen wollte, aber Satoshi hatte sich noch nie daran gehalten. Einmal war Satoshi eine Woche lang nicht aufgetaucht und hatte es nicht einmal für nötig befunden, anzurufen oder auch nur sein Handy einzuschalten. Ben war die ganze Zeit über zutiefst beunruhigt. Als Satoshi endlich zurück war, erklärte er, er habe seiner Familie die Niagara-Fälle gezeigt. Obwohl die ganze Situation nach der notariell bestätigten Unterzeichnung der Lizenzverträge ganz anders aussah, würde es ziemlich unvorteilhaft sein, sollten sie Satoshi verlieren.
Die Gedanken an Satoshi erinnerten Ben daran, bei der Columbia Universität anzurufen, um herauszufinden, wie es um den Laborplatz bestellt war, den er mieten wollte. Während er die Nummer wählte, ärgerte er sich über sich selbst dafür, dass er sich nicht eher darum gekümmert hatte. Hätte er sich zu einem früheren Zeitpunkt stärker darum bemüht, müsste er sich heute nicht darum sorgen, wo Satoshi sich aufhielt, denn seit er den Mann besser kannte, wusste er, er würde sich den ganzen Tag im Labor aufhalten.
Die Unterhaltung mit den Verantwortlichen bei Columbia war kurz, freundlich und sehr positiv. Der Laborplatz stand definitiv zur Verfügung, die Miete war hoch, aber fair, und alles, was Satoshi noch zu tun blieb, war das Erstellen einer Liste mit der Ausrüstung und den Reagenzien, die er benötigte, und die Uni würde ihm dies alles gerne zur Verfügung stellen.
Auf eine Karteikarte kritzelte Ben Columbia-Laborplatz verfügbar, kann gleich anfangen, brauchen Liste mit benötigten Reagenzien und spezifischer Ausrüstung .
Er legte die Karteikarte auf den schon beachtlichen Haufen mit Verträgen, Testamenten und Fondsunterlagen und griff nach dem Telefon. Er hatte jetzt lange genug gewartet, seine Ungeduld übermannte ihn. Er wählte Satoshis Handynummer, die er auswendig kannte.
Eine unangenehme Vorahnung baute sich mit jedem Klingelton in ihm auf. Er trommelte mit den Fingern auf die Tischkante. Als die programmierte Ansage der Mailbox erklang, wurde seine Vorahnung leider bestätigt. Als es so weit war, hinterließ er eine Nachricht für Satoshi, er möge zurückrufen und fügte hinzu, er hätte gute Neuigkeiten zu berichten. Ben nahm an, dies sei die erfolgversprechendste Weise, einen möglichst raschen Rückruf zu erhalten.
Als das erledigt war, holte Ben seinen Mantel aus dem Schrank: Es war Zeit für seine morgendliche Besprechung mit Michael.
5
25. März 2010
Donnerstag, 10.18 Uhr
Laurie merkte, dass sie unkonzentriert war, als sie zum zweiten Mal zum Kapitelanfang des Buches zurückblätterte. Da sie sonst nichts zu tun hatte, hatte sie sich dazu entschlossen, ihr allgemeines Wissen über die Gerichtsmedizin aufzufrischen, und hatte sich das Thema Schusswunden vorgenommen. Sie hatte sich aufgrund Lous Geschichte über den Fall, den Jack unten bearbeitete, für SV entschieden. Nur, dass ihre Gedanken immer wieder von diesem zu einem anderen Thema abschweiften. Sie hatte Leticia so oft angerufen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, dass sie bei ihr bereits eine gewisse Frustration herausgehört hatte. Bei ihrem letzten Gespräch konnte Laurie sogar eine leichte Verärgerung heraushören. Leticia hatte ihr zwar versichert, dass alles in Ordnung sei, hatte aber gleichzeitig vorgeschlagen, dass sie selbst als Nächste anrufen sollte, und zwar nur dann, wenn ein Problem aufgetreten wäre. In dem hochgradig empfindlichen Zustand, in dem sie sich gerade befand, fasste Laurie dies so auf, dass sie nicht ganz so wichtig war, wie sie gedacht hatte und dass sie diejenige mit dem
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