Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
geliehen oder die Pech beim Pokern gehabt hatten, die auf das falsche Pferd oder die falsche Sportmannschaft gesetzt hatten.
»Ist Paulie Cerino denn nicht mehr im Gefängnis?«, fragte Vinnie. Obwohl Vinnie kein Spieler war, hörte er nicht gerne von Paulie Cerino.
»Nein, er ist noch immer im Gefängnis, aber seine Begnadigung kann jederzeit erteilt werden. Darum hat er mich geschickt. Könnten Sie zum Empfangsbereich im Foyer kommen? Wir müssen uns unterhalten.«
»Worüber müssen wir uns denn unterhalten?«, erkundigte sich Vinnie und dachte währenddessen fieberhaft darüber nach, was er tun sollte. Intuitiv wusste er, dass er mit diesem Mann, wer er auch sein sollte, keine Allianz eingehen sollte.
»Paulie hat da ein paar Fragen an Sie und möchte, dass ich sie Ihnen stelle.«
»Kann er mich nicht selbst anrufen?«, kam es zögernd von Vinnie. »Ich gebe Ihnen meine Handynummer.«
»Paulie hat nur wenige Möglichkeiten, einen Anruf zu tätigen.«
»Ach ja?«
»Es handelt sich nur um ein paar einfache Fragen«, erklärte Brennan.
»Okay, ich komme hoch«, sagte Vinnie und legte auf.
»Gehören Sie zu Vinnies Familie, oder sind Sie ein Freund von ihm?«, fragte Marlene, um Konversation zu machen. Sie hatte Brennans Part der Unterhaltung mitgehört und fragte sich nach dem Gerede über Gefängnisse, ob etwas nicht in Ordnung sei.
»Familie«, sagte Brennan. »Aber entfernt.«
Als Vinnie auftauchte, zog er Brennan sorgsam aus Marlenes Hörweite. Die beiden Männer musterten sich gegenseitig. Sie waren zwar ungefähr gleichen Alters, aber damit hörte jede Ähnlichkeit auch bereits auf. Vinnie hatte dunkle Haare und einen olivfarbenen Teint – beides in scharfem Kontrast zu Brennans heller, fast durchsichtiger und mit Sommersprossen übersäter Haut und seinen sogenannten roten Haaren, die eher karottenfarben waren.
Sie stellten einander vor, dann sagte Vinnie: »Das letzte Mal, als Paulie seine Leute zu mir schickte, endete das darin, dass ich gezwungen wurde, etwas Illegales zu tun, wodurch ich in ziemliche Schwierigkeiten geriet und beinahe meinen Job verlor. Ich sage Ihnen das nur, um deutlich zu machen, dass ich nicht gerade froh bin, von Paulie Cerino zu hören.«
»Unser Anliegen ist nicht, Sie zu irgendetwas zu zwingen«, versprach Brennan. »Wie gesagt, wir haben nur ein paar Fragen.«
»Wen meinen Sie mit ›wir‹?«
»Mein Partner sitzt draußen im Auto. Wir möchten Sie zu einem Bier hier in der Umgebung einladen.«
»Kann ich nicht machen. Jedenfalls nicht vor Dienstschluss um halb fünf.«
»Wie schade«, sagte Brennan aufrichtig. Nachdem Carlo den Vorschlag gemacht hatte, auf ein Bier einzukehren, gefiel ihm dieser Plan immer besser.
»Tja, war nett, Sie zu treffen.«
»Moment!«, platzte es aus Brennan heraus. »Wieso nicht hier? Ich ruf meinen Kumpel rein. Wir können uns auf die Couch setzen.«
Vinnie sah von Brennan zur Couch, von dort zu Marlene und wieder zurück. Ihm gefiel die Couch-Idee nicht. Um genau zu sein, gefiel es ihm auch nicht, im Foyer zu stehen mit einem wie Brennan an seiner Seite, weil er ahnte, dass Brennan höchstwahrscheinlich Mitglied der Vaccarro-Familie war, wenn nicht sogar einer ihrer Killer. Als Vinnie klein war, hatten er und seine Freunde Typen wie Brennan bewundert, aber das änderte sich, als einer von Paulie Cerinos Männern einen anderen Mann vor dem Süßwarengeschäft erschoss. Vinnie und seine Freunde saßen weiter die Straße runter im Eiscafé, als sie davon hörten, und stachelten sich gegenseitig auf, dass sie sich nicht trauen würden, dorthin zu laufen und einen Blick auf den Toten zu erwischen, bevor die Polizei eintraf. Als Vinnie den Körper sah, der auf der Straße lag, und sah, wie Blut und rosa Gehirnmasse aus ihm herausliefen, hatte sich ihm sofort der Magen umgedreht. Es war eines dieser visuellen Grauen in der Kindheit gewesen, der sich unwiderruflich in Vinnies Hirn eingebrannt hatte. Seit diesem Erlebnis empfand Vinnie vor dem Bandenleben nur noch Angst.
»Nicht hier!«, sagte Vinnie, weil er fürchtete, der Chef könnte jeden Moment hereinkommen, da sein Büro und die Zimmer der anderen Verwaltungsangestellten an den Empfangsbereich angrenzten. Verzweifelt versuchte er einen Ausweg zu finden, da er auch nicht wollte, dass das Gespräch im hinteren Teil des Gebäudes stattfand, für den man eine Zugangsberechtigung brauchte. »Ich hab’s«, sagte er plötzlich. »Wir treffen uns an der 30. Straße. Gehen Sie wieder
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