Montgomery u Stapleton 01 - Blind
blickte auf. Mit dem Handrücken schlug er auf die Zeitung. "Was fällt dir ein, mich wegen so was zu wecken?"
"Siehst du die Namen am Ende der Liste? Fletcher und die anderen? Ich bin Angelo und Tony letzte Nacht gefolgt. Sie haben diese Leute umgelegt. Ich vermute, sie haben den ganzen Club umgelegt."
"Aber warum? Warum mit Kokain? Warum schmeißen die so mit dem Stoff rum?"
"Ich weiß noch nicht, warum", gab Franco zu. "Ich weiß nicht mal, ob Angelo und Tony auf eigene Kappe arbeiten oder Aufträge von Cerino ausführen."
"Sie führen Aufträge aus", sagte Vinnie. "Die sind viel zu blöd, etwas auf eigene Kappe zu machen. Gott! Das ist eine Katastrophe. Die ganze Stadt wimmelt von FBI-Leuten und Drogenfahndern, von den normalen Bullen gar nicht zu reden. Was zum Teufel treibt Cerino? Ist er verrückt geworden? Ich versteh das nicht."
"Ich auch nicht", sagte Franco. "Aber ich habe gerade eine Verbindung hergestellt, über ein paar Leute, die Tony kennen. Einer von denen wird sich bei dir melden."
"Wir müssen was unternehmen", sagte Vinnie, den Kopf schüttelnd. "Das kann nicht so weitergehen."
"Es ist schwierig zu entscheiden, was wir tun sollen, solange wir nicht wissen, was Cerino vorhat", sagte Franco. "Gib mir noch einen Tag."
"Aber nur einen", sagte Vinnie. "Dann handeln wir."
Laurie war beklommen, als sie das Institutsgebäude erblickte. Was ein einziger Tag ausmachen konnte! Gestern und vorgestern war sie hier ein und aus gegangen, als ob das alles ihr gehörte. Jetzt hatte sie Angst, die Schwelle zu überschreiten. Die Ruhe, die sie in ihrer Wohnung empfunden hatte, war völlig verflogen. Aber sie wußte, daß sie die Sache durchstehen mußte.
Als sie näher kam, bemerkte sie, daß bereits ein Schwarm hektischer Reporter eingefallen war, die die Geschichte haben wollten ihre Geschichte. Ihre Gedanken hatten so sehr um Bingham gekreist, daß sie gar nicht an die Reporter gedacht hatte. Es waren mindestens genauso viele wie damals beim zweiten Schülerinnenmord. Vielleicht sogar mehr.
Am besten so schnell wie möglich hinter sich bringen, entschied sie. Als sie die Eingangshalle betrat, wurde sie sofort erkannt. Mikrophone wurden ihr ins Gesicht gestreckt, eine Kakophonie von Fragen und das Zucken der Blitzlichter brachen über sie herein. Laurie drängte sich wortlos zur inneren Tür durch. Ein uniformierter Sicherheitsbeamter prüfte ihren Lichtbildausweis, bevor er sie einließ. Die Reporter konnten ihr nicht folgen.
Um Haltung bemüht, ging Laurie direkt ins ID-Büro. Vinnie war da und las die Zeitung. Auch Calvin war da.
Laurie starrte in das Gesicht ihres Kollegen. Er starrte ausdruckslos zurück. Seine Augen waren wie schwarze Murmeln, vollendet gerahmt von der metallgefaßten Brille.
"Dr. Bingham wünscht Sie zu sprechen", sagte Calvin. "Allerdings kann er Sie erst empfangen, wenn er mit diesen Reportern fertig ist. Er ruft Sie in Ihrem Büro an."
Laurie hätte es ihm gern erklärt, aber sie konnte nicht viel sagen. Und Calvin schien nicht interessiert. Er wandte sich wieder dem zu, womit er bei ihrem Eintreten beschäftigt gewesen war. Laurie beschloß, einen Blick auf den Arbeitsplan zu werfen, bevor sie in ihr Büro ging. Ihr Name stand nicht auf der Liste. Sie sah die drei Namen, die sie in der Zeitung gelesen hatte: Kendall Fletcher, Stephanie Haberlin und Yvonne Andre. Es waren offenbar neue Fälle, die in ihre Serie paßten.
Laurie trat zu Calvin. "Ich vermute, Sie wissen, daß ich gern diese Überdosisfälle übernehmen würde", sagte sie.
Calvin sah von seiner Beschäftigung auf. "Mir persönlich sind Ihre Präferenzen egal", sagte er. "Die Sachlage ist jedoch die, daß Sie sich in Ihr Büro begeben und dort auf Dr. Binghams Anruf warten sollen."
Peinlich berührt von dieser offensichtlichen Brüskierung, blickte Laurie kurz zu Vinnie hinüber, doch er schien wie üblich in den Sportteil der Zeitung vertieft. Wenn er den Wortwechsel mitbekommen hatte, ließ er sich nichts anmerken.
Wie ein Kind, das Stubenarrest bekommen hat, schlich Laurie sich in ihr Büro. Sie kam zu dem Schluß, daß sie versuchen sollte, etwas zu arbeiten, setzte sich an ihren Schreibtisch und holte einige Akten heraus. Sie wollte gerade anfangen, als sie spürte, daß jemand da war. Sie blickte zur Tür hinüber und bemerkte einen zerknitterten Lou Soldano. Er sah nicht glücklich aus.
"Ich wollte Ihnen persönlich dafür danken, daß Sie mir das Leben schwermachen", sagte er. "Nicht, daß
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