Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
nach links abbogen, registrierte Jack, daß sie nun die Broome Street entlangfuhren. Nachdenklich musterte er die Häuser. Einige hatten fünf, andere sechs Stockwerke. Etliche standen leer und waren verbarrikadiert. Als Standort für ein medizinisches Labor konnte er sich kaum einen ungeeigneteren Platz vorstellen.
Hinter der nächsten Straßenecke wirkte die Gegend ein wenig kultivierter. Jack fiel ein Installateurgeschäft auf, dessen Fenster mit dicken Metallgittern gesichert waren. Bis zum nächsten Häuserblock gab es rechts und links verstreut ein paar weitere Läden, die Baustoffe anboten. Hier waren in den Stockwerken über den Geschäften sogar vereinzelt ein paar Apartments bewohnt. Doch die meisten Wohnungen standen offensichtlich leer.
Als sie den nächsten Häuserblock zur Hälfte passiert hatten, fuhr der Taxifahrer rechts an den Straßenrand. Zu Jacks Verwunderung deutete bei der Hausnummer fünfundfünfzig rein gar nichts auf ein Labor hin. Der Laden, der sich dort befand, war eine Art Scheck-Einlösestelle, die zugleich als Briefkastenverleih und Pfandhaus fungierte; rechts neben dem Laden hatte ein Spirituosenhändler sein Geschäft, links ein Schuster. Jack zögerte. Hatte er sich die Adresse womöglich falsch aufgeschrieben? Doch das war unwahrscheinlich. Immerhin hatte Igor sie ihm zweimal genannt. Also bezahlte er den Taxifahrer und stieg aus.
Wie alle Läden in dieser Gegend verfügte auch der Eingang des Hauses Nummer fünfundfünfzig über ein Eisengitter, das man nachts hinunterziehen und verriegeln konnte Im Schaufenster wurde eine skurrile Mischung vollkommen unterschiedlicher Objekte präsentiert: unter anderem eine elektrische Gitarre, ein paar Fotoapparate und billiger Schmuck. Über der Tür prangte ein großes Schild: »Briefkästen zu vermieten. Absolute Diskretion gewährleistet.« Auf der Tür standen die Worte »Wir lösen Ihre Schecks ein«.
Jack ging näher an das Fenster heran. Als er direkt vor der E-Gitarre stand, konnte er über die Schaufensterauslage hinweg in den Innenraum sehen. Auf der rechten Seite erkannte er einen mit einer Glasplatte bedeckten Tresen. Dahinter stand ein Mann mit Schnäuzer und Punkerfrisur; er trug einen Arbeitsanzug, wie sie beim Militär üblich waren. Im hinteren Teil des Ladens machte er eine durch Plexiglas abgetrennte Kabine aus, die an den Kassenschalter einer Bank erinnerte. An der linken Seite waren etliche Reihen von Briefkästen angebracht. Jack war fasziniert. Wenn Frazer Labs diesen schäbigen Laden tatsächlich als Postanschrift benutzten, war das mit Sicherheit verdächtig. Er war versucht, einfach in das Geschäft hineinzuspazieren und frei heraus zu fragen, was er wissen wollte. Doch er fürchtete, sich dadurch womöglich den Weg für ein anderes Herangehen zu verbauen. Schließlich wußte er, daß Briefkasten-Verleihe nur sehr ungern Informationen über ihre Kundschaft herausgaben. Wer einen Briefkasten mietete, hatte im allgemeinen einen Grund dafür und verließ sich auf absolute Diskretion. In Wahrheit wollte Jack nicht nur wissen, ob Frazer Labs hier tatsächlich einen Briefkasten angemietet hatten - vielmehr schwebte ihm vor, einen Vertreter des mysteriösen Labors zu dem Laden zu locken um herauszufinden, wer sich dahinter verbarg. Allmählich entstand in seinem Geiste ein ausgeklügelter Plan.
Er achtete darauf, daß der Verkäufer ihn nicht bemerkte, und eilte davon. Als erstes brauchte er ein Telefonbuch. In der Canal Street entdeckte er einen Drugstore. Dort bat er um das Telefonbuch, notierte sich die Anschriften eines Ladens für Berufsbekleidung, eines Geschäfts für Bürobedarf, eines Autoverleihs sowie der nächstgelegenen Geschäftsstelle von Federal Express. Da das Bekleidungsgeschäft am nächsten lag, suchte er es als erstes auf. Es ärgerte ihn, daß er sich nicht daran erinnern konnte, wie die Uniformen der Federal-Express-Kuriere aussahen. Doch wahrscheinlich kannte der Mann in dem Briefkastenverleih die Uniformen genausowenig wie er. Er kaufte sich eine Hose aus blauem Twill, ein weißes Hemd mit Taschen und Schulterklappen sowie einen schlichten, schwarzen Gürtel und eine blaue Krawatte.
»Darf ich die Sachen gleich anziehen?« fragte er den Verkäufer. »Natürlich.« Der Mann deutete auf eine provisorische Anprobekabine.
Die Hose war etwas zu lang, aber im großen und ganzen war Jack zufrieden. Als er sich jedoch im Spiegel betrachtete, hatte er den Eindruck, daß ihm irgend etwas fehlte. Er
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