Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
seinem Büro, ging Jack zunächst die neu eingetroffenen Mitteilungen durch. Es war nichts Bedeutendes dabei. Dann verschaffte er sich auf seinem Schreibtisch ein bißchen Platz und lud die Akten Lopez und Lagenthorpe ab. Eigentlich wollte er sich sofort daran machen, die Autopsieberichte zu diktieren und die nächsten Verwandten der Verstorbenen anzurufen. Er hatte sogar vor, die Schwester von Joy Hester anzurufen, die noch von Laurie untersucht wurde. Doch dann fiel sein Blick auf eine Ausgabe von Harrisons Lehrbuch der Medizin. Er nahm das Buch aus dem Regal, schlug das Kapitel über Infektionskrankheiten auf und begann zu lesen. Das Kapitel umfaßte fast fünfhundert Seiten. Dennoch erfaßte er den Text schnell, denn die meisten Informationen hatte er zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Berufslaufbahn irgendwo in seinem Gedächtnis gespeichert.
Er war gerade bei dem Abschnitt über besondere bakterielle Infektionen angelangt, als Maureen ihn anrief. Sie teilte ihm mit, daß die Gefrierschnitte vorbereitet seien. Jack machte sich sofort auf den Weg. Vorsichtig brachte er die Schnitte zurück in sein Büro und plazierte das Mikroskop in der Mitte des Schreibtisches.
Als erstes sah er sich die Lungen an. Am meisten überraschte ihn, wie stark das Lungengewebe angeschwollen war und daß er keinerlei Bakterien entdecken konnte. Als er sich die Herzschnitte ansah, wußte er sofort, warum ihm das Herz vergrößert erschienen war. Ein großer Teil des Gewebes war entzündet, und die Bereiche zwischen den einzelnen Herzmuskeln waren mit Flüssigkeit gefüllt.
Nachdem er eine stärkere Vergrößerung gewählt hatte, wurde Jack sofort klar, was die Ursache für die Herzerkrankung gewesen war. Die Zellen rund um die Blutgefäße, die das Herz durchliefen, waren stark geschädigt. Als Folge waren viele dieser Blutgefäße von Blutgerinnseln verschlossen, was eine Vielzahl kleiner Herzanfälle ausgelöst hatte!
Ein Adrenalinstoß schoß ihm durch die Adern. Noch einmal nahm er sich die Lungenschnitte vor. Er wählte den gleichen Vergrößerungsgrad und entdeckte im Nu, daß die Wände der winzigen Blutgefäße genau die gleichen krankhaften Veränderungen aufwiesen - ein Befund, der ihm bei seiner ersten Untersuchung entgangen war.
Als nächstes griff er sich einen Gewebeschnitt aus der Milz. Er stellte das Mikroskop scharf und entdeckte das gleiche Erscheinungsbild. Innerlich jubelte er, denn nun war es ihm möglich, zumindest den Verdacht auf eine bestimmte Diagnose zu formulieren.
Er sprang auf und ging noch einmal ins Mikrobiologie-Labor. Agnes hantierte gerade an einem der zahlreichen Inkubatoren herum.
»Warten Sie noch mit den Gewebekulturen von Lagerthorpe«, rief er ihr völlig außer Atem zu. »Ich habe äußerst interessante Neuigkeiten für Sie.«
Agnes sah ihn durch ihre dicken Brillengläser neugierig an. »Wir haben es mit einer Erkrankung der Endothelzellen zu tun«, erklärte er aufgeregt. »Der Patient hat unter einer akuten Infektionskrankheit gelitten, und trotzdem konnten wir keinerlei Bakterien entdecken oder kultivieren. Das hätte uns den entscheidenden Hinweis geben müssen. Außerdem hatte der Mann schwache Anzeichen eines beginnenden Hautausschlags, vor allem auf den Handflächen und auf den Fußsohlen. Und dann hat man bei ihm auch noch eine Blinddarmentzündung vermutet. Ahnen Sie, warum?«
»Muskelempfindlichkeit«, entgegnete Agnes. »Genau«, rief Jack. »Und woran denken Sie bei diesen Symptomen?«
»Rickettsien«, erwiderte Agnes.
»Bingo«, rief Jack und reckte vor lauter Begeisterung die Faust in die Luft. »Das gute alte Rocky-Mountain-Fleckfieber. Ist es Ihnen möglich, den Verdacht in Ihrem Labor zu bestätigen?«
»Das dürfte genauso schwierig sein wie bei Tularämie«, erwiderte Agnes. »Wir müssen die Probe wieder wegschicken. Es gibt einen Immunofluoreszenztest, aber wir verfügen nicht über das notwendige Reagens. Ich kenne allerdings ein New Yorker Speziallabor, das den Stoff vorrätig hält, weil es 1987 in der Bronx einen Ausbruch des Rocky-Mountain-Fleckfiebers gegeben hat.«
»Schicken Sie die Probe so schnell wie möglich weg«, ordnete Jack an. »Und machen Sie den Leuten in dem Labor Dampf. Wir brauchen das Ergebnis so schnell wie möglich.«
»Okay.«
»Sie sind ein Schatz!«
Jack stürmte auf die Tür zu, doch bevor er verschwunden war, rief Agnes ihm nach: »Ich fände es gut, wenn Sie mich sofort über das Ergebnis unterrichten würden. Rickettsien sind
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