Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Sicht ergänzten sie sich in vielerlei Hinsicht.
Jack lehnte sich zurück und machte es sich so bequem, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. Randolph stand kerzengerade am Rednerpult und verstrahlte seinen üblichen blaublütigen Glanz. Craig saß leicht nach vorne gebeugt und mit hängenden Schultern im Zeugenstand. Randolphs Stimme war deutlich artikuliert, melodisch und leicht zischend. Craigs Stimme hingegen klang matt, als hätte er sich mit jemandem gestritten und sei nun erschöpft.
Jack fühlte, wie sich Alexis’ Hand in seine schob. Er drückte sie als Antwort, und sie wechselten ein flüchtiges Lächeln.
»Dr. Bowman«, sagte Randolph mit volltönender Stimme. »Sie wollten Arzt werden, seit Sie im Alter von vier Jahren einen kleinen Arztkoffer geschenkt bekamen und daraufhin begannen, Ihre Eltern und Ihren älteren Bruder zu verarzten. Aber wenn ich recht informiert bin, gab es ein bestimmtes Ereignis in Ihrer Kindheit, das Sie ganz besonders in dieser altruistischen Berufswahl bestärkte. Würden Sie dem Gericht von diesem Vorfall erzählen?«
Craig räusperte sich. »Ich war fünfzehn Jahre alt und in der zehnten Klasse. Ich war Betreuer des Football-Teams. Eigentlich hatte ich versucht, in die Mannschaft zu kommen, aber ich hatte es nicht geschafft, was für meinen Vater eine große Enttäuschung bedeutet hatte, da mein älterer Bruder ein richtiger Football-Star gewesen war. Ich war also der Betreuer, was im Grunde nichts anderes hieß als der Wasserträger. Während der Auszeiten rannte ich mit einem Eimer, einer Schöpfkelle und Pappbechern aufs Feld. Bei einem Heimspiel wurde einer unserer Spieler verletzt, und es gab eine Auszeit. Ich raste mit dem Eimer auf das Spielfeld, aber als ich näher kam, erkannte ich, dass der verletzte Spieler ein Freund von mir war. Statt meinen Eimer zu den anderen Spielern zu bringen, rannte ich zu meinem Freund. Ich war der Erste, der ihn von der Seitenlinie aus erreichte, und was ich dort sah, war erschreckend. Er hatte sich einen bösen Beinbruch zugezogen, sein Fuß in den Stollenschuhen stand in einer völlig unnatürlichen Haltung ab, und er wand sich vor Schmerzen. Seine Hilfsbedürftigkeit und meine Unfähigkeit, ihm zu helfen, haben mich so betroffen gemacht, dass ich auf der Stelle beschloss, nicht nur Arzt werden zu wollen, sondern Arzt werden zu müssen.«
»Das ist eine herzergreifende Geschichte«, sagte Randolph, »vor allem berührt uns Ihr spontanes Mitleid und die Tatsache, dass dieses Sie motivierte, einem Weg zu folgen, der sich als äußerst beschwerlich erweisen sollte. Arzt zu werden war für Sie nicht leicht, Dr. Bowman, und dieser altruistische Impuls, den Sie so eloquent geschildert haben, muss wahrhaft stark gewesen sein, um Ihnen über all die Hindernisse hinwegzuhelfen, mit denen Sie konfrontiert wurden. Würden Sie dem Gericht etwas aus Ihrer anregenden Horatio-Alger-Geschichte erzählen?«
Craig richtete sich merklich auf.
»Einspruch«, rief Tony und sprang auf. »Irrelevant.«
Richter Davidson nahm seine Lesebrille ab. »Die Anwälte bitte an den Richtertisch.« Gehorsam trafen sich Randolph und Tony zu seiner Rechten.
»Hören Sie gut zu!«, sagte Richter Davidson und deutete mit seiner Brille auf Tony. »Sie waren derjenige, der den Charakter zum zentralen Thema bei der Darlegung seines Standpunkts gemacht hat. Ich habe das trotz Mr Binghams Einspruch unter dem Vorbehalt zugelassen, dass Sie Ihre Anschuldigungen durch Zeugenaussagen begründeten, was Sie, wie ich meine, auch getan haben. Aber was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Die Geschworenen haben jedes Recht, etwas über Dr. Bowmans Motivation und seine Ausbildung zu erfahren. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Ja, Euer Ehren«, sagte Tony.
»Und in Zukunft will ich keine Flut von Einsprüchen mehr in diese Richtung hören.«
»Verstanden, Euer Ehren«, sagte Tony.
Tony und Randolph kehrten zu ihren jeweiligen Plätzen zurück, Tony an den Tisch des Klägers und Randolph an das Pult.
»Einspruch abgelehnt«, verkündete Richter Davidson, an die Protokollführerin gewandt. »Der Zeuge kann fortfahren und die Frage beantworten.«
»Erinnern Sie sich noch an die Frage?«, erkundigte sich Randolph.
»Das hoffe ich doch«, sagte Craig. »Wo soll ich anfangen?«
»Am Anfang wäre sicher passend«, entgegnete Randolph. »Wenn ich recht informiert bin, haben Sie von Ihren Eltern keine Unterstützung erhalten.«
»Zumindest nicht von
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