Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Muskelzellen erforschte. Diese Arbeit habe ich sogar bis heute beibehalten.«
»Wie sahen denn bei diesem vollen Zeitplan Ihre Noten aus?«
»Hervorragend. Ich gehörte zu den oberen zehn Prozent meines Jahrgangs und war Mitglied der Alpha Omega Alpha Honorary Scholastic Society.«
»Was war in Ihren Augen das größte Opfer, das Sie bringen mussten? War es der chronische Schlafmangel?«
»Nein! Es war die Tatsache, dass keine Zeit mehr für soziale Kontakte blieb. Meine Studienkameraden hatten die Möglichkeit, miteinander zu reden und sich über das Erlebte auszutauschen. Das Medizinstudium ist eine sehr intensive Erfahrung. In meinem dritten Studienjahr war ich hin- und hergerissen, ob ich mich der wissenschaftlichen Grundlagenforschung zuwenden sollte oder doch lieber der praktischen Medizin. Ich hätte sehr gerne mit anderen die jeweiligen Vor- und Nachteile diskutiert und auch einmal fremde Meinungen dazu gehört. Aber ich musste die Entscheidung alleine treffen.«
»Und wie kamen Sie zu dieser Entscheidung?«
»Ich erkannte, dass es mir Freude macht, Menschen zu behandeln. Man bekommt dabei so viel zurück, das habe ich sehr genossen.«
»Dann war es also der Kontakt mit Menschen, der Ihnen Freude und Erfüllung schenkte.«
»Ja, aber auch die Herausforderung, Differentialdiagnosen und das entsprechende Paradigma zu erstellen, um das Feld anschließend wieder einzugrenzen.«
»Aber das, was Sie am meisten schätzten, war der Kontakt mit den Patienten und die Tatsache, dass Sie ihnen helfen konnten.«
»Einspruch«, rief Tony, der im Laufe der Befragung immer zappeliger geworden war. »Wiederholung.«
»Stattgegeben«, sagte Richter Davidson mit matter Stimme. »Sie brauchen nicht noch länger auf diesem Punkt herumzureiten, Mr Bingham. Ich bin mir sicher, dass die Geschworenen verstanden haben, worauf Sie hinauswollen.«
»Erzählen Sie uns von Ihrer Zeit als Assistenzarzt«, sagte Randolph.
»Das war die reinste Freude«, antwortete Craig. Er saß jetzt aufrecht und hatte die Schultern nach hinten genommen. »Auf Grund meines Notendurchschnitts wurde ich am renommierten Boston Memorial Hospital angenommen. Es war ein herrliches Lernumfeld, und plötzlich bekam ich sogar ein Gehalt. Es war natürlich nicht sehr hoch, aber immerhin. Und ebenso wichtig war, dass ich keine Studiengebühren mehr zu bezahlen brauchte, so dass ich anfangen konnte, den gewaltigen Schuldenberg abzutragen, den ich auf dem College und der medizinischen Fakultät angehäuft hatte.«
»Genossen Sie immer noch die notwendigerweise engen Beziehungen, die sich zwischen Ihnen und Ihren Patienten entwickelten?«
»Auf jeden Fall. Das war bei Weitem der erfüllendste Teil meiner Arbeit.«
»Erzählen Sie uns jetzt etwas über Ihre Praxis. Wenn ich Sie recht verstanden habe, gab es da einige Enttäuschungen.«
»Anfangs nicht! Zu Beginn war meine Praxis ganz genau so, wie ich es mir immer erträumt hatte. Ich hatte genug zu tun und die Arbeit war interessant. Ich freute mich jeden Tag aufs Neue darauf. Meine Patienten stellten eine intellektuelle Herausforderung dar und waren dankbar für die Behandlung. Doch dann begannen die Versicherungen, Zahlungen zu verweigern, häufig stellten sie vollkommen grundlos Rechnungen in Frage und machten es mir dadurch zunehmend schwer, das zu tun, was für meine Patienten das Beste war. Meine Einnahmen begannen zu sinken, während die Kosten immer weiter stiegen. Um die Praxis zu halten, musste ich die Produktivität erhöhen, was eine beschönigende Umschreibung dafür ist, dass ich immer mehr Patienten innerhalb einer Stunde behandeln musste. Das habe ich geschafft, aber mit der Zeit machte ich mir immer mehr Sorgen um die Qualität.«
»Soweit ich weiß, hat sich die Art Ihres Praktizierens zu jenem Zeitpunkt verändert.«
»Sie hat sich dramatisch verändert. Ich wurde von einem älteren, sehr angesehenen Arzt angesprochen, der Concierge-Medizin praktizierte, aber mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Er bot mir eine Teilhaberschaft an.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche«, sagte Randolph. »Vielleicht könnten Sie den Geschworenen die Bedeutung des Begriffs ›Concierge-Medizin‹ noch einmal in Erinnerung rufen.«
»Bei einem solchen Praxismodell erklärt der Arzt sich bereit, die Zahl seiner Patienten zu beschränken, um den Kranken gegen eine jährliche Gebühr jederzeit zur Verfügung stehen zu können.«
»Schließt diese ständige Verfügbarkeit auch
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