Moonshine - Stadt der Dunkelheit
Sehnsucht nach modischen Kleidern.
Ich zuckte die Achseln. »Tja, dann legen Sie mal los.«
Am Ende einigten wir uns auf eine biedere grüne Weste mit zwei Reihen von Knöpfen, einen Mantel mit breitem Kragen und schwarzer Bordüre sowie einen passenden Rock mit einem kleinen, gewagten Schlitz an der Seite. Sie holte noch einen schwarzen Cloche-Hut aus Samt mit einer Borte aus grünen Seidenblümchen hervor, um alles abzurunden, trat dann einen Schritt zurück und musterte mich ernst.
»Nicht schlecht«, sagte sie und begann unvermittelt zu lächeln. »Die Schuhe sind eine Schande, aber wenigstens haben wir die meisten der blauen Flecke versteckt.«
Wir nahmen uns eine Droschke zum Rathaus, da ich den Gedanken nicht ertragen konnte, mit dem Fahrrad zu fahren, und Lily den Gedanken nicht ertragen konnte, dass ihre kostbaren Kleider das Spritzwasser schlammiger Pfützen abbekamen. Tja, solange sie es bezahlte, reiste ich nur zu gern stilvoll.
Soweit ich wusste, hatte keine Organisation an diesem Tag eine Anti-
Faust
-Demonstration geplant, trotzdem hatte sich eine Gruppe New Yorker am Fuße der Marmortreppe versammelt. Anscheinend war ich nicht die einzige Person, die wütend über die Situation war, und das machte mich noch selbstbewusster für die Konfrontation mit Jimmy Walker.
Ich warf einen Blick auf meine Taschenuhr: Es blieben noch fünf Minuten. Der »Nachtbürgermeister« war sehr pünktlich, was den Zeitpunkt fürs Mittagessen betraf. Niemand schenkte mir besondere Aufmerksamkeit, als ich mich durch die Menge nach vorn drängte.
»Hey, zur Seite!«, rief Lily. »Die Vampirrechtlerin will hier durch!«
Ich spürte, wie Dutzende von Augenpaaren sich plötzlich auf mich richteten, als würden sie mich ins Fadenkreuz nehmen.
»Ist sie das?«, fragte ein Mädchen neben mir ihre Begleitung. »Die Frau, die heute Morgen diese Horde von Blutsaugern gepfählt hat?«
»Ich nehme an, Sie haben jetzt Ihre Meinung über das gute Wesen von Vampiren geändert, oder, Zephyr?«
»Vielleicht verleiht ›Beau Jimmy‹ Ihnen einen Orden, weil Sie seinen Job erledigt haben!«
Ich drehte mich um und funkelte Lily wütend an – und offenbar blickte ich ziemlich zornig, denn sie zuckte zusammen. Gut. Vielleicht dachte sie dann das nächste Mal erst darüber nach, ob sie mich lächerlich machte, nur um etwas Farbe in ihre Zeitungskolumne zu bringen.
»Wegen ein paar verfluchter Betrunkener, die sich in Schwierigkeiten bringen, verurteile ich nicht gleich die gesamte Menschheit«, sagte ich laut genug, damit die Menge mich hörte.
»Aber Sie haben getötet …« Es war wieder dieses Mädchen.
»Ich habe niemanden
getötet
. Ich habe mich verteidigt, und ich bedaure jeden Schaden, der durch meine Schuld verursacht worden ist.«
Doch ich erinnerte mich auch an das Gefühl purer Macht, als ich die Vampirin im Griff gehabt und ihr genüsslich mit meiner silbernen Klinge das Fleisch versengt hatte.
»Also ist es
das
, was Sie sind?«, erklang rechts von mir eine gedehnte Stimme. »Nicht nur eine übereifrige Puritanerin.«
Ich sah sein blasses Gesicht nur aus dem Augenwinkel, aber ich hätte ihn vermutlich auch mit verbundenen Augen erkannt. Bedächtig wandte ich mich zu ihm um, als wäre ich einfach nur neugierig, wer mich da auf so unverschämte Weise angesprochen hatte.
»Guten Tag, Bürgermeister«, sagte ich.
»Ebenfalls. Sie machen sich wirklich einen Namen, Miss …«
»Hollis.«
»Ein beeindruckendes Bild übrigens. Ich wünschte mir, ich bekäme solche Presse.« Er blickte Lily an, die hinter mir stand, und hob seinen Hut.
»Na ja, wenn Ihre Gesetzgebung nicht durch Ihre Verbindungen zur Mafia beeinflusst gewesen wäre, hätte ich heute Morgen vielleicht keine Horde von
Faust
benebelter Vampire bekämpfen müssen.«
Er warf mir ein hartes, verächtliches Lächeln zu, das seine sowieso schon blutleeren Lippen noch dünner erscheinen ließ. »Kommen Sie wieder, wenn Sie einen echten Skandal haben.«
Ich war wütend genug, um ihm ins Gesicht zu spucken, doch ich zügelte mich. »Zwanzig Wandlungen in den vergangenen zwei Tagen, Dutzende von Vampiren halb verbrannt in den
Tombs
, dazu ein Dutzend geplatzte Vampire. Und Sie glauben, dass das kein Scheiß-Skandal ist?«
Er lachte. »Achten Sie auf Ihre Worte, Miss Hollis. Sie sind in Begleitung einer Dame.« Wieder hob er mit Blick auf Lily seinen Hut und trat vom Bordstein. »Guten Tag, Miss Harding«, sagte er, während sein Chauffeur ihm die Tür des
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