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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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leisten können. Troy lud mich manchmal zum Abendessen ins
Algonquin
oder in ein anderes sagenhaft exklusives Restaurant ein, weil er wusste, dass ich es mir niemals erlauben würde, abzulehnen. Ich hasste es, wie er sein Geld zum Fenster hinauswarf, während so viele andere so dringend Unterstützung brauchten. Ich bemühte mich jedes Mal, ihn durch peinliche und seltsame Wünsche nach fleischlosem Essen zu irritieren, doch Troy lächelte mir immer nur zu und gab dem Kellner ein extra großzügiges Trinkgeld. Zephyr Hollis mit einem Dämonenjäger beim Dinner im
Algonquin
. Wahrscheinlich war jeder Mensch bereit, seinen Prinzipien ein bisschen untreu zu werden, wenn er nur hungrig genug war.
    Nachdem ich Platz genommen hatte, stellte Katya die dampfende Schüssel zusammen mit einem schweren Zinnlöffel und einem großen Glas Wasser vor mich auf den Tisch. Inzwischen bewegte sie sich sehr langsam – sie war im achten Monat schwanger und sah aus, als würde sie jeden Moment platzen.
    Ich dankte ihr und nahm schnell ein paar Löffel von der heißen Suppe mit Matzenbrot-Bällchen und Karotte. Die Brühe war dünn und versalzen, aber es fiel mir kaum auf. Nach zwei Jahren mit Mrs. Brodskys fleischloser Suppe hatte ich aufgehört, mir zu wünschen, sie würde besser schmecken, und war stattdessen dankbar, dass es überhaupt etwas gab. Es war zu leicht, in der Anonymität dieser Großstadt einfach zu verhungern.
    »Wo ist sie?«, fragte ich, als mein Magen endlich aufgehört hatte, sich so anzufühlen, als würde er sich selbst verdauen.
    Katya lächelte schief und deutete nach oben.
    »O nein,
Mr
. Brodsky schon wieder?« So nannten wir heimlich den unverheirateten Seemann, den unsere sonst so steife und ehrenwerte Wirtin ab und an auf einen »Tee« mit in ihre Räumlichkeiten nahm. Nicht im Traum hätten wir es gewagt, sie darauf anzusprechen, doch auf diese Weise hatten wir immer etwas zu tratschen, wenn sie einer von uns einen Vortrag über die Sperrstunde hielt, die mal wieder nicht eingehalten worden war.
    Katya lachte und begann, die restlichen Küchenutensilien wegzuräumen. Ich wusste nicht, ob sie sprechen konnte, denn in den sieben Monaten, die sie nun schon bei uns lebte, hatte ich sie nie auch nur ein Wort sagen gehört. Ihr Ehemann, ein Bauarbeiter, war ums Leben gekommen, als der Tunnel für die Untergrundbahn, den er mit ausgehoben hatte, in sich zusammengestürzt war. Er war unter dem Schutt erstickt. Eine Woche später hatte Katya festgestellt, dass sie schwanger war. Das war übrigens in Mrs. Brodskys Augen auch der einzig akzeptable Umstand, der sie dazu hatte bewegen können, ihre bekanntermaßen strengen Moralvorstellungen etwas zu lockern und einem schwangeren Mädchen zu gestatten, in ihrer Pension zu wohnen. Katya lebte von der mageren Rente ihres Ehemannes und half Mrs. Brodsky im Haushalt.
    Nachdem ich meine Schüssel abgewaschen hatte, wünschte ich Katya eine gute Nacht und stieg die Treppe hinauf in mein Zimmer im vierten Stock. Meine Beine fühlten sich wie Brandpaste an, als ich endlich mit rotem Gesicht und völlig außer Atem oben ankam.
    »
Schlafen
Sie eigentlich auch?«, hatte Amir mich gefragt. Gott, ich fühlte mich, als könnte ich eine ganze Woche Schlaf gebrauchen. Aileen war natürlich noch wach, als ich unser Zimmer betrat. Rauchend saß sie auf ihrem Bett, aschte aus dem Fenster und hielt einen billigen erotischen Roman mit einer anatomisch äußerst fragwürdigen Coverabbildung in der linken Hand.
    Sie hatte sich eine Strumpfhose aus Kunstseide um ihre schwarzen Locken gewickelt, als Ersatz für einen der derzeit angesagten seidenen Turbane, die sie sich wohl kaum leisten konnte. Dazu trug sie einen Body, der ungefähr zwei Nummern zu groß war, und schaffte es trotzdem, modisch perfekt auszusehen. Aileen war – trotz ihres unauslöschlichen irischen Akzents – durch und durch ein New Yorker Vamp. Sie verbrachte Stunden damit, ihren Lebensstil zu pflegen, auch wenn sie in der Fabrik nur einen Hungerlohn verdiente. Sie schraubte die Deckel auf Flaschen mit Weihwasser – eine Arbeit, die mich persönlich in den Selbstmord getrieben hätte, ihr dagegen anscheinend nicht so viel ausmachte. Einmal hatte sie mir verraten, dass sie die Kunst, Flaschen zuzuschrauben, perfektioniert habe und nebenher sogar noch lesen könne, wie andere Menschen sich miteinander vergnügten.
    Sie blickte auf. »Ich habe dir doch gesagt, dass du bei Neumond nicht unterrichten sollst. Haben sie

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