Moonshine - Stadt der Dunkelheit
Express
.«
Ich dachte darüber nach. »Findest du das nicht unbequem?«
»Ich glaube, vor allem Verity Lovelace findet es unbequem. Also«, sagte sie und starrte noch immer an die Decke, »was ist geschehen?«
»Die
Turn Boys
. Sie haben einen kleinen Jungen erwischt, und ich schwöre, dass er unglaubliche Ähnlichkeit mit Harry hatte. Ich …« Auf einmal war ich mir nicht sicher, ob und wie ich den Rest erzählen sollte.
Aileen drehte den Kopf und sah mich an. »Hat die Polizei ihn gepfählt?«
»Na ja, nein, äh … Eigentlich habe ich ihn mit in die Schule genommen, und dort hat einer meiner Schüler … also, er besucht einen Kurs, obwohl er es ganz sicher nicht nötig hat. Na ja, egal. Er ist auf jeden Fall kein Mensch, und er wirkte, als könne er mit dem Jungen fertig werden, außerdem sagte er, er werde sich um ihn kümmern, wenn ich ihm dafür einen Gefallen täte.«
Aileen brauchte fast eine Minute, um die zusammenhanglose Flut an Informationen aufzunehmen. Ihre Miene war noch undurchdringlicher als sonst. »Sind das Bissspuren an deinem Hals?«, fragte sie schließlich.
Unwillkürlich griff ich mir an den Hals und wünschte mir, ich wäre so geistesgegenwärtig gewesen, die Wunden zu verdecken. Aileen hielt nicht viel von den meisten »Risiken« (wie sie es nannte), die ich einging, und ich hasste es, sie unbewusst bestätigt zu haben. »Das war nur der Junge«, erwiderte ich abwehrend. »Er war im Blutrausch.«
Missmutig schürzte Aileen die Lippen. »Das kann ich mir vorstellen. Und was bist du? Im Wohltätigkeitsrausch?«
»Das ist unfair.«
»Ach? Damals in Dublin habe ich gesehen, wie ein gerade gewandeltes Kind dreißig Fabrikarbeiter und zwei Polizisten getötet hat, bevor es ihnen gelungen ist, es zu pfählen. Verflucht noch mal, Zephyr, du solltest am besten wissen, wie gefährlich sie sind. Du hast jeden Tag mit ihnen zu tun!«
Verdammt, sie hatte recht. Ich hatte gewusst, dass es verrückt war, als ich den Jungen mit in die Schule genommen hatte. Doch jede andere Lösung war für mich nicht in Frage gekommen – und daran hatte sich auch jetzt nichts geändert. Es kam mir ungerecht vor, wenn das ohnehin schon tragische Schicksal von Kindern, die gewandelt wurden, darin gipfelte, dass man sie viel zu jung pfählte.
»Obwohl ich nicht glaube, dass es einen Kreuzritter wie dich interessiert, aber du und dein Schüler habt gegen das Gesetz verstoßen. Und dann auch noch gegen eines, das sie tatsächlich verfolgen und mit aller Macht durchsetzen.«
»Amir … Ich weiß nicht wie, aber ich bin mir sicher, dass er damit zurechtkommt. Niemand wird es jemals erfahren. Nicht, solange du nicht vorhast …«
»Zephyr!«
»Tut mir leid.«
Sie schwieg so lange, dass ich mich schon fragte, ob sie möglicherweise eingeschlafen war. Doch mit einem Mal setzte sie sich auf, um die Lampe zu löschen.
»Also«, sagte sie und lag wieder rücklings auf dem Bett. »Möchte ich wissen, um was es sich bei diesem Gefallen handelt?«
Ich muss einen Vampir und berüchtigten Mafiaboss finden, damit Amir ihn umbringen kann.
»Vermutlich nicht.«
Sie seufzte. »Oh, Zephyr. Warum kannst du nicht einfach tanzen gehen, wie wir anderen auch?«
Am nächsten Morgen dachte ich während der gesamten Schicht in der Suppenküche über Amir und Rinaldo nach. Versonnen schöpfte ich dickflüssigen Haferbrei in Schüsseln und teilte sorgfältig den braunen Zucker ein. Ich hatte mich nie für eine rachsüchtige Person gehalten. Doch nachdem ich erfahren hatte, was Rinaldo Giuseppe angetan hatte, und nachdem ich im Laufe der Jahre noch so viele andere entsetzliche Geschichten gehört hatte, stellte ich fest, dass ich begierig war, dafür Sorge zu tragen, dass er endlich seine gerechte Strafe bekam. Ganz sicher würde die Polizei sich nicht um ihn kümmern – vermutlich wurde sie von ihm geschmiert. Und Gruppen wie die
Defender
um Troy waren zu sehr damit beschäftigt, im Auftrag von scheinheiligen Bürgern kleine Vampire zu pfählen oder Nester von
Anderen
auszuheben, um sich um das
wirklich
Böse zu kümmern. Natürlich wusste ich um die Gefahren, und ich hätte dieser Sache niemals blind zugestimmt. Doch wenn es den Hauch einer Chance für mich gab, sollte ich es probieren. Amir hatte recht – wer würde mir gegenüber schon einen Verdacht hegen? Niemand hier wusste von meiner Immunität.
Aber zuerst musste ich ein paar Nachforschungen anstellen. Sobald sich in der Suppenküche die Gelegenheit ergab,
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