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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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wie seine Hitze sich verlagerte und mich wie eine Decke umhüllte.
    »Ich glaube, uns bleibt keine andere Wahl«, entgegnete er genauso leise. »Aber du hast recht. Es ist nicht mehr der kleine Junge, den sie verloren haben.«
    Wir fuhren an scheinbar jedem einzelnen Lagerhaus und Wohngebäude südlich von Fulton vorbei und schenkten den Häusern in der Nähe der Whitehall Street besondere Aufmerksamkeit, doch Judah betrachtete jedes von ihnen mit derselben gelassenen Geringschätzung. Die Sonne ging unter, und wir erreichten endlich den Battery Park, um zuzusehen, wie die schwache Wintersonne im Wasser versank. Wir stiegen aus der Droschke, während Amir den Fahrer bezahlte. Der Gedanke daran, wie viel ihn unser Stadtbummel in der Kutsche gekostet haben musste, ließ mich erschaudern. Allmählich begann ich zu vermuten, dass Amir sein Geld buchstäblich aus dem Nichts hervorzaubern konnte. Judah blieb am Eingang des Parks stehen und blickte sich um.
    »Ich kenne diesen Ort«, sagte er zu mir.
    »Tatsächlich?«, erwiderte ich. »Hat dein Papa dich hierhergebracht?«
    »Ich habe dir schon mal erzählt, dass mein Papa tot ist. Ich weiß noch, dass ich den Park sehr gern mag, weil ich die Sonne sehen kann.«
    »Warum gehst du nicht mit Amir ein wenig spazieren und schaust, ob dir noch etwas einfällt«, schlug Mama vor, als Amir zu uns trat.
    Erfreut ergriff Judah seine Hand, und sie schlenderten die kargen Kieswege entlang.
    »Ich mag ihn, Zephyr«, sagte Mama, als wir allein waren. Ich begriff zu spät, warum sie Amir ermutigt hatte, mit Judah zu gehen. »Er ist nett, und das ist wichtig. Gott weiß, dass ich mich besser fühlen würde, wenn er ein Mensch wäre, aber … Also, ich denke, dein Vater wird seine Meinung ändern. Mach dir keine Sorgen.« Sie tätschelte meine Hand, und ich lächelte schwach.
    Wenn Daddys schlechte Meinung über Amir doch nur mein größtes Problem wäre.
    »Das freut mich, Mama«, brachte ich schließlich hervor.
    »Du weißt, dass ich diese Datings heutzutage nicht gutheiße. Wenn du einen Mann liebst, sollte er dich heiraten. Du brauchst Beständigkeit, Zephyr. So zu leben wie du ist in Ordnung, solange man jung ist, aber …«
    »Ich bin vierundzwanzig! Nicht gerade ein Methusalem. Hast du je von einem Menschen gehört, der einen Dschinn geheiratet hat?«
    Sie seufzte. »Oh, Zephyr. Deshalb mache ich mir ja Sorgen. Du hast ihn offensichtlich sehr gern …«
    Ich konnte nicht glauben, dass ich diese Unterhaltung gerade führte. Heirat? Beständigkeit? Soweit ich wusste, sah Amir in mir nicht mehr als eine nette Abwechslung, ehe er nach Shadukiam und damit zu Wohlstand, Macht und seinen zahlreichen anderen Privilegien zurückkehrte. Glücklicherweise kam just in diesem Augenblick Judah mit großen Schritten den Weg zurück. Was für eine willkommene Ablenkung.
    »Winnie und Zephyr«, sagte er an uns gewandt wie ein König, der seine Höflinge würdigte. »Onkel Amir ist plötzlich sehr krank geworden.«
    Ich fühlte mich, als hätte mir ein Pferd in den Magen getreten. Unfähig, etwas zu sagen, starrte ich Judah an.
    »Bring uns hin, mein Kleiner.« Das war Mama.
    Ich war nutzlos, konnte den beiden nur folgen. Wieder einer von Amirs Anfällen? Aber er hatte doch gerade noch so gut ausgesehen. Ich rief mir seine seltsam kindliche Freude ins Gedächtnis, als er den Hotdog verspeist hatte. Für gewöhnlich kamen die Anfälle nicht ohne Vorwarnung.
    Er war am Wasser zusammengebrochen. Ich roch den süßlichen, versengten Duft von verbranntem Gras, bevor ich die glimmende Asche unter seinem auf dem Bauch liegenden Körper sehen konnte. Er hatte die Augen geschlossen, und sein Gesicht war schlaff. Wenn dies ein Anfall war, so war er von einem viel größeren Ausmaß als die anderen Attacken. Hatte er die Vorzeichen etwa über Stunden hinweg vor mir verheimlicht?
    Ich sank auf die Knie, doch mir war klar, dass ich ihn besser nicht berührte. »Amir«, sagte ich, bemühte mich, ruhig zu klingen, und scheiterte kläglich. »Kannst du mich hören?«
    Er rührte sich nicht. Wie starben die Dschinn? Gingen sie in Flammen auf und verbrannten wie ein Phönix? Oder lösten sie sich in Rauch auf? Platzten sie wie Vampire? Konnte ich irgendetwas tun, um das zu verhindern?
    Ich erinnerte mich an Amirs seltsame Anweisungen vom Abend zuvor. Hatte er gewusst, dass so etwas mit ihm geschehen würde? »Wir müssen einen Straßenzauberer finden«, sagte ich zu Mama. »Irgendjemanden, der den Dschinn Kardal,

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