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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Kardal zurückkam. Er war weniger aufgewühlt und seine Form weniger aufgelöst als bei der Rettung von Amir, doch selbst ein oberflächlicher Betrachter hätte ihn niemals irrtümlich für einen Menschen gehalten.
    »Geht es ihm gut?«, fragte ich, bevor er etwas sagen konnte.
    Kardals Kopf aus Rauch schien zu nicken. »Im Moment ja. Zephyr, ich muss mit Ihnen sprechen.«
    Ich blickte Mama und Judah an. »Allein?«
    Wieder diese unbestimmte Veränderung innerhalb des Rauches. »Es ist Amirs Geschichte – aber ich denke, Sie haben das Recht, sie zu hören. Mein Bruder kann und darf die Wahrheit nicht länger vor Ihnen verheimlichen.«
    Ich fühlte mich merkwürdig leer, als er mich durch einen Bogengang in einen anderen Raum führte. Das Zimmer war verdunkelt und abgeschirmt und gefüllt mit unterschiedlichen Diwans und großen Kissen, auf denen man sich bequem zurücklehnen konnte. Ich wusste zwar nicht, wozu eine Rauchsäule weiche Kissen benötigte, doch ich ließ mich gern darauf nieder. Ich war mir sicher, dass mir nicht gefallen würde, was Kardal mir zu sagen hatte, aber statt Furcht empfand ich beinahe Erleichterung. Wenigstens würde ich jetzt Bescheid wissen.
    »Was hat Amir Ihnen über den Mafiaboss und Vampir Rinaldo erzählt?«, begann Kardal.
    »Nur, dass er meine Hilfe benötige, um ihn zu finden und ihn vielleicht umzubringen. Er hat mir keine Gründe genannt.«
    Kardal sank zu Boden, und plötzlich konnte ich in dem Rauch Gesichtszüge erkennen. »Amir ist der jüngste der Dschinn. Er ist … anders aufgezogen worden. Eure Welt war schon immer eher ein Teil von ihm als bei jedem anderen meiner Brüder. So vieles hat sich seit Kashkashs Zeiten verändert … sogar seit meiner Zeit. Es ist schwer für Amir, sich mit den Alten zu identifizieren, und dennoch ist er auch nicht wirklich ein Teil eurer Welt. Er liebt die Menschen – allerdings anders als Sie. Für ihn sind sie wie ein Rosenbusch, etwas, an dem man sich erfreut, ohne es ernst zu nehmen. Er hat Liebschaften mit Menschen, er mischt in der Politik der Menschen mit, trotzdem kann er jederzeit hierher zurückkehren, wo diese Dinge nicht von Bedeutung sind. Aber jetzt ist alles anders.«
    »Jetzt?«
    »Seit drei Monaten, um genau zu sein. Damals hat er ein neues Spielzeug gefunden, er hat jemandem ein geschäftliches Angebot gemacht, und dann ist geschehen, was er niemals erwartet hätte: Er wurde gebunden.«
    Ich bemühte mich, diese Information mit dem zusammenzubringen, was ich über die Dschinn und ihre Regeln wusste. »Er ist der Dschinn von jemandem? Ein Mensch hat ihn an sich gebunden?«
    »Kein Mensch. Ein Vampir.«
    Das war es also. Amir wollte Rinaldo töten, weil … »Ich dachte, ein Dschinn kann seinen Meister nicht töten.«
    Ich vermochte den Ausdruck auf Kardals etwas unscharfem Gesicht nicht zu erkennen, doch bei dem Begriff »Meister« wirkte er sichtlich empört. »Wir können niemanden töten, der das Gefäß für unsere Kräfte wird, nein. Derjenige muss eines natürlichen Todes sterben. Aber in diesem Fall ist es komplizierter. Rinaldo, der Mafiaboss, mit dem Amir törichterweise einen Handel eingegangen ist, wollte nämlich etwas ganz Bestimmtes von ihm. Nicht die Kräfte eines Dschinn, sondern sein Blut.«
    Sein Blut? Ich dachte an Amirs lodernde Augen und Kardals schwefelgelben Rauch. »Wie können die Dschinn …«
    »Stellen Sie es sich als eine Essenz vor, Zephyr, nicht als eine Flüssigkeit. Davon ernähren sich Vampire, und jede Quelle trägt etwas anderes zu ihrer Macht bei. Sie stehen ganz unten in der Nahrungskette, sie sind die Parasiten unseres Universums. Eine Plage, wie Amir leider zu spät erkannt hat.«
    Ein Vortrag über die Notwendigkeit des gegenseitigen Verständnisses und die Gefahren von Vorurteilen lag mir auf der Zunge, doch ich hielt mich zurück.
    »Warum wollte Rinaldo ausgerechnet Amirs … Blut? Warum wollte er nicht die Kräfte eines Dschinn, wenn er sie schon hätte haben können?«
    Kardal lachte, und es klang, als würden uralte Steine aneinanderschmettern. »Er ist zu unwissend, um sein Glück zu erkennen. Ich bezweifle, dass Rinaldo weiß, dass er Amirs Gefäß geworden ist. Er ist seit über einem Jahrtausend der Erste seiner Art, der Macht über einen Dschinn hat. Er wollte Amirs Blut, um sich selbst zu heilen.«
    Mir kam es vor, als würde er mir Puzzleteile zuwerfen, doch ich wusste weder, wie sie zusammenpassten, noch schienen sie überhaupt zum selben Puzzle zu gehören.

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