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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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anstarrten. Mein Hals rebellierte. Als ich hustete, hallte es in meinem Brustkorb und in dem gesamten kahlen Raum wider. Amir verzog das Gesicht und erhob sich mühsam. Es tat mir in der Seele weh, ihm dabei zusehen zu müssen, denn er bewegte sich wie ein alter Mann, dessen Gelenke vom Rheuma fast steif waren. Er musste sich mit dem Rücken an der Wand abstützen, um überhaupt stehen zu können.
    »Du hast mich erst vor zwei Wochen kennengelernt«, sagte er. Seine Stimme klang zwar leise, aber alles andere als sanft. »Es gibt Hunderte von Dingen, die du nicht tun würdest, um Rinaldo zu finden. Es geht alles vorbei, Zephyr. Wenn es mir nichts ausmacht, sollte es dir auch nichts ausmachen.«
    »Du kannst nicht …«
    »Noch mal – du scheinst den Eindruck zu haben, dass ich in der Angelegenheit eine Wahl hätte. Es ist keine Tragödie. Ich habe nach euren Maßstäben sehr lange gelebt.«
    Was natürlich stimmte. Doch er sah nicht alt aus oder kraftlos oder als ob er von der Mühsal des Irdischen erlöst werden müsste. Er sah aus wie der Mann, den ich erst gestern geküsst hatte. Er sah aus wie der Mann, bei dessen Anblick sich in mir gähnende Abgründe auftaten, wenn ich nur an das dachte, was wir noch nicht getan hatten. Aber jetzt würde es kein »noch nicht« mehr geben.
    »Was soll ich tun?« Ich hatte es nicht laut aussprechen wollen. Meine Stimme zitterte wie die einer Varieté-Schauspielerin.
    Er schloss die Augen. Vor Schmerz, dachte ich. »Finde Judahs Mutter. Sag Winnie, dass es mir eine Freude war, sie kennengelernt zu haben. Schlaf dich aus.«
    »Das werde ich nicht tun«, versetzte ich knapp. »Ich werde es ganz gewiss nicht tun.« Ich wandte mich um, nicht ohne einen Blick auf Amirs Miene zu erhaschen: erstaunt und niedergeschlagen. Ich hörte, wie er hinter mir wieder auf den Boden sank. Kardal hatte die ganze Zeit über schweigend an der Tür gestanden.
    Ich blieb vor ihm stehen. »Verdammt noch mal«, sagte ich leise, obwohl ich wusste, dass Amir mich hören konnte, »lassen Sie ihn Ihre Teppiche versengen, und geben Sie ihm ein paar Hotdogs.«
    Kardal bauschte sich vor Überraschung auf. »Heiße … Hunde? Die Dschinn ziehen keinen Nutzen aus geopferten Tieren.«
    Amirs Lachen erwärmte den Raum. »Das ist ein Snack, Bruder. Ein seltsamer Snack der Menschen, für den vielleicht tatsächlich Hunde verarbeitet werden – was allerdings niemand hofft.«
    Meine Hände begannen zu zittern, trotzdem ging ich weiter.
    »Da war Musik, Zephyr«, rief Amir. »Als Rinaldo mich heraufbeschworen hat. Ich konnte nichts sehen, doch es lief Musik auf einem Grammophon. Ich weiß nicht genug über Musik, um es mit Sicherheit sagen zu können, aber es klang modern. Wie das, was du in der Bar gesungen hast.«
    Ich verstand es, wie es gemeint war – als eine Entschuldigung und als ein Abschiedsgeschenk –, und behielt es in meinem Herzen, als ich ihn zurückließ.

[home]
    8 .
    K ardal brachte mich und Mama zurück in die Stadt, in die Nähe der Whitehall Station. Ich nahm an, dass er sich in New York nicht so fürchterlich gut auskannte und deshalb eine begrenzte Auswahl von Orten hatte, an die er teleportieren konnte. Die Straßen waren dunkel, doch die Fußgänger wirkten nicht so misstrauisch wie in den vergangenen Nächten.
Faust
war offenbar noch nicht wieder in Erscheinung getreten.
    »Ich denke, er würde Sie gern sehen, wenn …«
    »Nein«, schnitt ich Kardal das Wort ab und schüttelte entschieden den Kopf. »Ich werde Rinaldo finden.«
    Es wurde immer leichter für mich, seine formlose Miene zu lesen. Man fand die Hinweise nicht so sehr in seinem Gesicht, als vielmehr in der Beschaffenheit des Rauches. Gerade setzte er sich als etwas ab, das aussah wie ein Mensch, der von Nebel umhüllt war – eine buchstäbliche Depression. »Was, wenn Sie es nicht schaffen?«, fragte er.
    Meine Ohren begannen zu schmerzen, und ich entspannte meine Kiefer.
Du kennst ihn erst seit zwei Wochen.
Warum war das so unwichtig? »Kardal … würden Sie mich … zu Ihrem Gefäß machen? Wenn ich Ihre Kräfte hätte, könnten wir Rinaldo finden. Wir könnten Amir …«
    Aber er schüttelte bereits den Kopf. »Die Dschinn kann nur jemand binden, der fähig ist, uns zu bezwingen.«
    Damit kam ich nicht in Frage. »Könnten wir dann nicht jemanden finden, der …«
    »Sie wollen nicht, dass jemand, der fähig ist, mich zu unterwerfen, in den Besitz meiner Kräfte gelangt. Niemand wird so machtvoll, indem er nett

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