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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Treffen der Suffragetten kommen, Lily. Wir diskutieren über Verhütungsmittel.«
    Lily sah so ernsthaft entsetzt aus, dass ich mir ein Lachen verbeißen musste.
    »Auf gar keinen Fall!« Sie erschauderte. »Ein Treffen der
Suffragetten
. Ich bin bereits Journalistin. Bitten Sie mich nicht, gesellschaftlichen Selbstmord zu begehen.«
     
    Iris und ich gingen gemeinsam zum Treffen der Suffragetten. Ich lehnte mich zurück, während sie sich am Rednerpult über die »zahlreichen unbestreitbaren« Vorteile der aktiven Förderung von Geburtenkontrolle durch Verhütungsmittel ausließ. »Es hilft, das Leben der Arbeiterklasse um ein unvorstellbares Ausmaß zu verbessern«, erklärte sie und machte dann massiven Gebrauch von Thesen der Frauenrechtlerin Margaret Sanger. Es waren auch ein paar Männer anwesend, und ich erwischte mich dabei, wie ich mich umsah, um vielleicht Amir zu entdecken. Ich wusste nicht, warum ich glaubte, ihn hier zu finden, und angesichts der Aufregung, die ich bei jedem falschen Alarm empfand, wollte ich vor Scham im Erdboden versinken. Er war nur so fremd in seinem Aussehen und seinem Verhalten. Seine Art zu reden war so vollkommen anders als jede, der ich bisher begegnet war.
    Am Ende stimmten die Anwesenden ab, weitere Recherchen über das Thema anzustellen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammenzukommen.
    »Was für ein völlig nutzloses Treffen«, brummte Iris, als wir das Hinterzimmer des jüdisch-russischen Kaffees verließen, in dem die monatlichen Zusammenkünfte stattfanden. »Man kommt sich fast vor, als würde man nichts weiter als … billige Liebesromane auf der Straße verkaufen!«
    Ich musste an Aileen und die gepflückte Kirsche von Verity Lovelace denken. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Nachfrage nach Verhütungsmitteln in die Höhe schießen würde, wenn wir das tatsächlich täten«, sagte ich und unterdrückte tapfer ein Kichern.
    Mit einem Gähnen zog Iris sich im Café an einem freien Tisch einen Stuhl zurück und ließ sich darauf nieder. Einen Moment lang fürchtete ich, dass die zierlichen Beine unter ihrem Gewicht nachgeben könnten, doch wider Erwarten trug der Stuhl sie.
    »Ich denke, ein starker Kaffee sollte mich wiederbeleben«, sagte Iris. »Soll ich zwei bestellen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich würde gern einen Kaffee mittrinken, aber ich muss los. Ich will noch …«
    Sie nickte wissend, was mich glücklicherweise davor bewahrte, mir eine faule Ausrede einfallen lassen zu müssen. »Der Tatendrang der Jugend. Na ja, passen Sie auf sich auf. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns bald auf einer Veranstaltung wiedersehen werden. Abgesehen davon scheint es, als würden Sie und Lily sich großartig verstehen. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung für die liebe, kleine engstirnige Anfängerin, oder?«
    Iris zwinkerte mir zu, und ich empfand eine solch überwältigende Zuneigung für sie, dass ich sie beinahe umarmt hätte. Es gelang mir, mich mit einem Händedruck zu begnügen und ihr zu versprechen, sie in der nächsten Woche beim Treffen der
Sozialistischen Arbeiterpartei
zu sehen.
    Als ich gerade gehen wollte, erhaschte ich einen Blick auf eine hochgewachsene Gestalt, die vor dem Café entlangging. Das Haar des Mannes war dunkel und gelockt, seine Kleidung ein paar Nummern zu gepflegt für diese Gegend in der Lower East Side. Ich rannte aus dem Café und auf den Bürgersteig, wo der Schnee, von dem ich nicht einmal gewusst hatte, dass er angekündigt war, schon fünf Zentimeter dick auf dem Boden lag. Durch den weißen Schleier hindurch versuchte ich den Mann zu entdecken, den ich eben hatte vorbeigehen sehen, doch es schien, als wären außer mir nur noch zwei ehrenwerte Chassidim mit Biberhut und schweren schwarzen Mänteln auf der Straße.
    »Du verlierst allmählich den Verstand«, murmelte ich. Ich hatte noch nicht einmal meinen Mantel zugeknöpft oder meinen Hut oder meine Handschuhe angezogen. Das tat ich nun sofort, bevor der Schnee mich noch weiter auskühlte. Dann ging ich los, um mein Fahrrad zu holen.
    Eilig radelte ich nach Hause, obwohl mir noch fast zwei Stunden blieben, ehe ich im Klub erwartet wurde. Die Zeit würde ich mindestens brauchen, um mich fertig zu machen. Die Begegnung mit der unvergleichlichen Lily hatte wenigstens daran keinen Zweifel gelassen. Ich wollte mich bei diesem Abenteuer nicht mehr blamieren, als unbedingt notwendig war. Auf alle Fälle war dies womöglich die letzte Gelegenheit, um, nun ja,

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