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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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ungefähr halb so groß wie sie, mit stoischer Gelassenheit neben den Blutkonserven Wache stand.
    Er sah aus wie ein entfernt an einen Menschen erinnernder Klumpen roten Lehms. Als Augen hatte er glühende Murmeln und einen tiefen Schlitz, der seinen Mund darstellte. Die hebräischen Buchstaben für »Wahrhaftigkeit« waren ihm auf die Stirn geschrieben worden, und in seiner unförmigen Hand hielt er einen Stock. Ansonsten war er unbewaffnet. Er blickte Ysabel an und trat dann für sie zur Seite. Sie schenkte ihm kaum Beachtung, ich dagegen machte verstohlen einen weiten Bogen um ihn. Der Stock sah schmerzhaft aus.
    »Hast du noch zusätzliche Konserven?«, fragte ich und ging zu ihr, um ihr mit der Kiste zu helfen.
    Neugierig sah sie mich an. Ein paar Haarsträhnen hatten sich gelöst, lockten sich um ihr Gesicht und ließen sie seltsam jung und unschuldig wirken. »Wir könnten vielleicht noch drei weitere Blutkonserven zur Verfügung stellen. Kennst du noch jemanden, der etwas braucht?«
    »Ein verwitweter Vampir mit seinen Kindern, der meinen Abendkurs besucht«, log ich ungeniert, als ich die Kiste anhob und sie auf den Tresen stellte. Das Menschenblut in den Konserven schwappte. »Er hat Rinaldo zuwidergehandelt, deshalb stehen ihm schwere Zeiten bevor … Ich glaube, er könnte die Hilfe gebrauchen.«
    Ysabel verzog mitfühlend das Gesicht und gab mir einige zusätzliche Glasflaschen mit Blut.
    Ich fühlte mich eher zufrieden mit mir als schuldig, als ich den Raum mit den potenziellen Spendern verließ, die mir lange und neugierig hinterherstarrten. Draußen befestigte ich die Kiste auf meinem Gepäckträger. Zu meiner Entschuldigung erklärte ich mir selbst, dass mein Plan mit dem Blut Giuseppe helfen würde – auch wenn ich nicht vorhatte, es ihm tatsächlich zu geben. Ich quälte mich durch die schmalen Straßen und schleppte bei jeder Lieferung die ganze Kiste die Stufen der Wohnhäuser hinauf.
    Der Preis, der auf der Straße für sauberes Menschenblut bezahlt wurde, war höher als der für hochprozentigen Whisky. Ich konnte zwar mit Ärger umgehen, aber ich musste ihn ja nicht gleich mit einem Strauß Rosen zu mir einladen. Als ich fertig war, zeigten sich unter meinen Armen feuchte Flecke auf meiner Bluse, und die beißend kalte Luft war angenehm erfrischend. Ich tat die übrig gebliebenen Flaschen mit Blut in meine Tasche und brachte die Kiste in die Blutbank zurück.
    Mein Tempo verlangsamte sich merklich, als ich mich Little Italy näherte, denn ich wusste, dass es keine besonders
gute
Idee war. Es schien jedoch eine
raffinierte
Idee zu sein und obendrein die, die am wahrscheinlichsten dazu führen würde, mich in Rinaldos Gang einzuschleusen. Die eigentliche Frage war aber, warum ich plötzlich so erpicht darauf war. Ich hatte Troy und das Leben als
Defender
hinter mir gelassen und dem Herrn für mein Glück gedankt. Ich hasste alles, wofür sie standen – warum also war ich nun begierig darauf, selbst Jagd auf einen Vampir zu machen?
    Weil Rinaldo es wert war, gejagt zu werden. Er war die böse Geißel, welche die
Defender
zu bekämpfen vorgaben. Trotzdem – ich konnte diesen Rausch nicht einfach abtun, den ich empfunden hatte, als ich in der vergangenen Nacht mit dem Vampir gespielt hatte. Die Klinge in sein Herz zu stoßen war ein süßeres Gefühl gewesen, als ich es in Erinnerung gehabt hatte. Der Gedanke ließ mich zurückschrecken. Was war nur los mit mir?
Du bist nicht dein Daddy.
     
    Das
Beast’s Rum
war genau genommen eine illegale Kneipe, eine sogenannte »Flüsterkneipe« – in dem Sinne, dass der vorrangige Zweck des Etablissements darin bestand, illegale Spirituosen an den Mann zu bringen –, dennoch gab es sich eher wie ein Lokal in Zeiten vor der Prohibition. Zum einen öffnete sich die Tür direkt zur Mott Street hin, zum anderen saß ein alter Mann draußen, paffte eine stinkende Zigarre und trank würzig duftendes Bier. Keine geheimen Klopfzeichen, keine Adresse, die sich ständig änderte. Um ins
Rum
zu gehen, brauchte man nur einen ungesunden Mangel an Lebenswillen und eine große Toleranz, was eigenartige Gerüche anging.
    Im Innern war die Bar so dunkel, dass ich kurz warten musste, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten. Als ich etwas erkennen konnte, bemerkte ich, dass die meisten Gespräche verstummt waren und mehr als ein Dutzend Augenpaare – die meisten davon glühend – sich mir zugewandt hatten. Die Anwesenden starrten mich an, als wäre ich ein

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