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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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das nicht nur, weil kein Secondhandshop jemals ein Kleid in einem solch leuchtenden Blaugrün verkaufen würde. Bei näherer Betrachtung wirkte sie in ihrem gesamten Outfit – von den Wildlederschuhen bis hin zu ihrem frechen Cloche-Hut – inmitten dieser Bewohner von schlichten Mietskasernen ungefähr so heimisch wie ein Fisch in der Serengeti. Sie notierte sich etwas, während sie mit einem jungen Polizisten sprach, der sich sichtlich unbehaglich fühlte. Er beäugte die Menschentraube in der Wache, als könnte sie jeden Moment randalieren oder ihn niedertrampeln, und umklammerte mit der linken Hand den Griff seiner Dienstwaffe.
    Lily schien das alles überhaupt nicht aufzufallen.
    »Also, wie viele Menschen, sagten Sie, sind bisher angegriffen worden?«, fragte sie und tippte mit ihrem Füller gegen die Kante ihres Notizblocks.
    Der Polizist räusperte sich. »Hier sind mindestens dreißig Fälle gemeldet worden. Dazu kommen noch die Drohungen und Sichtungen. Es war ziemlich übel.«
    »Ist das Ihrer professionellen Meinung nach alles auf diese neue Vampirdroge zurückzuführen, die in den Straßen kursiert?
Faust?
«
    Er blickte Lily an, als hätte sie den Verstand verloren. »Tja, was zur Hölle soll es denn sonst sein? Irgendetwas muss die Blutsauger ja verbrennen lassen wie Brathähnchen.«
    Bei dem Vergleich zuckte ich zusammen, während Lily fieberhaft mitschrieb. Sie wirkte seltsam … na ja, wenn auch nicht glücklich, so doch
energiegeladen
. Sie passte vielleicht nicht hierher, aber sie blühte bei dieser Art von Katastrophe spürbar auf.
    »Ich habe Gerüchte gehört, dass
Faust
von dem berüchtigten italienischen Mafiaboss Rinaldo eingeschleust wird. Können Sie das bestätigen?«
    Im gesamten Raum schien es mit einem Mal etwas ruhiger zu werden – als hätte jemand das Gebrüll mit einem riesigen Wattebausch gedämpft.
    Wieder räusperte der Polizist sich. »Ich … äh … kann das nicht bestätigen, nein. Es gab eine Menge Gerüchte, sicher, und wir können bisher nicht sagen, woher dieser Stoff kommt …«
    So schnell gab Lily nicht auf. »Trifft es nicht zu, dass die meisten Meldungen aus Little Italy und der unmittelbaren Umgebung stammen, das, wie Sie sicherlich wissen, fest in der Hand von Rinaldo und seiner Bande ist?«
    Die Leute um mich herum lauschten vermutlich Lilys Interview, dennoch konnte ich hinter uns einige undeutliche Rufe hören. Der Polizist reckte den Hals, um über die Menge hinwegzusehen. »Hören Sie, wir wissen nicht, woher das Zeug stammt. Wir verfolgen die Hinweise noch.«
    Jemand zu meiner Rechten schrie: »Sie haben nur Angst vor Rinaldo, diesem Abschaum, und vor seinen
Turn Boys!
«
    Der Polizist wurde rot und umklammerte den Griff seiner Waffe noch etwas fester. Sogar Lily schien das aufzufallen, doch statt nervös zu werden, lächelte sie nur. Verdammt, und ich dachte immer,
mir
mangele es an einem gesunden Selbsterhaltungstrieb.
    Der Aufruhr am Eingang der Polizeiwache wurde nun lauter und konnte nicht länger ignoriert werden. Irgendwo hinter mir rief ein Mann laut genug, um über den Lärm hinweg gehört zu werden: »Sie lassen sie hier rein? Nach allem, was sie uns angetan haben?«
    Eine Frau schrie, und ein Kind begann zu weinen. »Sie hat mich berührt, Herr im Himmel. Bitte, beiß mich nicht … Bitte, ich habe meinen Ehemann verloren …«
    Der Rest ihres Flehens ging in dem undeutlichen Aufschrei der Menge unter. Der hilflose Polizist, gerade noch Opfer einer Befragung durch die verrückte Reporterin Lily, versuchte nun, sich Gehör zu verschaffen.
    »Bitte, beruhigen Sie sich! Sie haben in dieser Wache nichts von den
Anderen
zu befürchten …« Er blickte sich um, schüttelte den Kopf und winkte einen Kollegen herbei, der in der Nähe stand. »Mein Gott. Galt, bring den verdammten Blutsauger hier raus. Keine Ahnung, was die sich dabei gedacht hat.«
    Vermutlich hatte sie sich gedacht, dass sie Hilfe brauchte und sie hier bekommen würde – wie alle anderen auch. Wenn das ein kurzer Ausblick darauf war, welche Auswirkungen
Faust
auf das Verhältnis von Menschen und
Anderen
in Zukunft hatte, machte mich das wütend. Der Polizist feuerte einen Schuss an die Decke ab, und ein bisschen Putz bröckelte herab. Im nächsten Moment stürzte er sich in die Menge. Lily sah aus, als wollte sie ihm nachsetzen, aber ich packte sie am Ellbogen und zog sie mit hinter den Bürotresen. Ich wusste, dass es gleich sehr hässlich werden würde. Die Journalistin

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