Moonshine - Stadt der Dunkelheit
war zu übereifrig, um zu erkennen, dass es nur zu ihrem Besten war.
»Zephyr! Ich habe gehofft, dass Sie kommen würden. Ich brauche ein Zitat für meinen Artikel.«
Ich seufzte. Besser so, als dass meine Quelle in der Menschenmenge zerquetscht wurde. »Lily, Sie sollten etwas vorsichtiger sein. Ein wütender Mob, verängstigte und bewaffnete Polizisten … das ist nicht gerade eine ungefährliche Kombination.«
Lily warf mir ein, wie sie vermutlich dachte, geringschätziges Lächeln zu. »Ich weiß genau, was ich tue.«
Ich rollte nur die Augen und sah mich nach dem Hinterausgang um. Wir mussten hier raus – so viel zu meinem Plan, etwas über Judah herauszufinden. Die Menschentraube war inzwischen zur linken Seite der Wache geströmt. Die Leute schrien und spuckten und wollten ein paar Polizisten dazu drängen, eine zusammengekauerte Gestalt zu packen, die ich zwischen all den Personen kaum erkennen konnte. Ich fragte mich, ob wir uns an der Wand entlangschieben konnten, bis wir zum Ausgang kamen, doch selbst an den Stellen, an denen sich weniger Menschen aufhielten, war es immer noch zu eng, um hindurchzuschlüpfen.
»Also, Zephyr Hollis, Sie sind in der Gemeinde eine bekannte Persönlichkeit. Wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, diese entsetzliche Droge in Umlauf gebracht zu haben?«
Ungläubig starrte ich sie an. Merkte sie nicht, was hier vor sich ging? »Wer zur Hölle ist denn
Ihrer
Meinung nach dafür verantwortlich, Lily? Der Erzherzog von Preußen?«
An der entgegengesetzten Seite der Wache ging eine Tür auf, und drei weitere Polizisten kamen herein. Sie hatten alle eine Waffe in der einen und einen Schlagstock in der anderen Hand – offenbar wollten sie in dieser Situation kein Risiko eingehen. Das wollte ich genauso wenig.
»Ladys und Gentlemen, gehen Sie bitte zum Hinterausgang. Wir räumen die Wache.«
Zuerst hörte niemand zu, aber nach ein paar gezielt ausgeführten Schlägen mit dem Stock konnten die Polizisten sich der ungeteilten Aufmerksamkeit der Leute sicher sein. Sosehr ich Gewalt verabscheue, war ich in diesem Moment dankbar für die Ablenkung. Während der Mob sich träge zum Ausgang begab, sah ich endlich genug Platz für Lily und mich, um an der hinteren Wand entlang bis zur Seitentür zu gelangen.
»Ich werde jetzt
nicht
gehen«, sagte Lily. »Das ist eine Exklusivmeldung …«
»Gut, dann melden Sie vom Ausgang aus.«
Entschlossen stand ich auf, griff mir ihren Notizblock und zog sie hinter mir her. Da krachten zwei Schüsse – laut genug, dass mir die Ohren klingelten. Putz rieselte auf mein Haar und meine Schultern. Lily kreischte auf, allerdings war sie nicht die Einzige.
»Ich habe gesagt: Gehen Sie zurück!«
»Schnappen Sie die Vampirin!«
Die Stimme war männlich, allerdings konnte ich nicht erkennen, wem sie gehörte. Immerhin konnte ich jedoch endlich die unglückliche Vampirin sehen, die das Chaos ausgelöst hatte. Sie stand an den Schreibtisch des stellvertretenden Revierleiters an der linken Seite der Wache gedrängt und schlug panisch nach jedem, der ihr zu nahe kam. Ihre Haut war aschfahl und spannte so sehr über ihren geschwollenen Gelenken, dass ich praktisch hören konnte, wie sie knirschten. Dennoch bezweifelte ich, dass sie viel älter als zwanzig gewesen sein konnte, als sie gewandelt worden war. Sie brauchte Blut – das war offensichtlich. Die Polizisten, die einen Teil der Menschenmenge in Schach hielten, warfen sich Blicke zu, und einer von ihnen zuckte die Schultern.
»Bitte, verlassen Sie sofort das Gebäude. Menschen oder
Andere
haben derzeit keinen Zutritt.«
Ein Mann in einer staubigen Latzhose machte einen Satz nach vorn und wollte den Arm der Vampirin packen. Sie fluchte, sprang in unnatürlicher Geschwindigkeit zurück, und er blieb mit einem abgerissenen Stück ihres Ärmels zurück. Jetzt stand sie auf dem Schreibtisch. Ich starrte die Polizisten an, wartete darauf, dass sie die Vampirin dort herunterholten und die Menge verscheuchten. Doch als sich wieder jemand auf die Frau stürzen wollte, hielten die Polizisten sich zurück.
»Was machen die da?«, fragte ich und konnte kaum glauben, was ich sah.
Lily legte mir eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, sie überlassen sie den Leuten.«
Damit sie was tun konnten? Ihr Glied für Glied herausreißen, ehe sie ihre jämmerliche, ausgeblutete Leiche den streunenden Hunden zum Fraß vorwarfen?
»Oh, Scheiße.« Ich gab Lily den Notizblock zurück. »Gehen Sie da
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