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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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dass sie den Satz beklommen hinunterschluckte, zusammen mit dem brandigen Papp. Irgendwann hast du den Fraß weggestoßen, stotterfrei ekelhaft! gezischt und oben die Zimmertür geknallt.
    Danach, sie weiß es noch genau, war er gar nicht mehr zu Tisch gekommen. Er schmiss seinen Ranzen in die Ecke, drängte sich an ihr vorbei und zog aus der Schublade eine Süßigkeit. Erst essen, sagte sie, und er: Hab schon hbei hMarianne. Sie: Dann zieh doch gleich rüber. Er: hBin schon hdabei. Sie räumte sein Gedeck weg, kratzte das Gemüse in den Müll, zerschlug beim Spülen vor Ärger den Teller. Später, in der Scheune, quetschte sie die Schnittwunde am Finger, die einfach nicht bluten wollte. Sie wusste nicht mehr, wie sie ihm noch beikommen sollte.
    Ach herrje, stöhnt Mira auf dem Bild. Marga fährt herum. Hat sie gerade selbst herrje gesagt? Noch nie in ihrem Leben ist ihr ein solches Wort über die Lippen gekommen. Verdammt! wäre ihre Formel gewesen, verfluchte Scheiße! . Sie erinnert sich, wie Marianne diesen Gottesseufzer ausstieß, als sie damals ins Zimmer kam. Sie hat ihn genau gehört, den Hilferuf, den die Bäuerin zum Himmel schickte, bevor sie Hand an die lästerliche Schwägerin legte, die so mit ihrem Leben spielte. Umständlich tastete sie nach dem Puls.
    Lass das, hatte deine Mutter schwerzüngig erwidert und Marianne weggestoßen, noch lebe sie ja. Dann hat sie sich von dir weg und zur Wand gedreht. Sie wollte dir den Anblick ersparen. Zu diesem Zeitpunkt war sie nämlich noch gar nicht bewusstlos gewesen, anders, als du schreibst. Erst im Rettungswagen ist sie langsam weggekippt. Vorher hat sie den Notruf gewählt und dich rüber zur Tante geschickt, falls sie doch gleich schlappmachen sollte. Sich vorsorglich über dem Klo noch einmal den Finger in den Hals gesteckt, um den Rest der Lexotax auszuwürgen, ein paar Gläser Wasser nachgetrunken, sogar das eingekotzte Bett hat sie, schon mit pelzigen Fingern, noch abgezogen, damit Marianne keine Arbeit damit hat. Dann erst hat sie sich auf dein Kissen gelegt.
    Frau Schäfer, scheint ihr, hat den Fernseher noch lauter gedreht, das Haus bebt von Stimmen. Sie schüttelt sich und duckt sich unter die Blöße des Bildes, als fände sie nur dort noch Schutz. Der Lärm aus der oberen Wohnung – oder ist es die Party nebenan? – hat bereits die Lampe in Schwingung versetzt, und von der Tür, glaubt sie, riecht es plötzlich nach Spiegelei.
    Nicht nur die Pfannen der Greisin scheuert sie mittlerweile fast täglich. Letzthin hat sie die Schäfer sogar gewindelt, wofür sie sich selbstredend einen Fünfziger aus dem Portemonnaie genommen hat. Keine Polin, denkt sie, macht sich dafür die Hände schmutzig! Richtig besudelt hat sie sich nach dem Geschäft gefühlt, der Gestank wollte trotz Gallseife und Wurzelbürste nicht mehr von ihren Händen runter. Oder war es am Ende schon ihre eigene Haut, die derart zu riechen begann? Der Altweibermief geht ihr nicht mehr aus dem Sinn, wird sie nun auf Schritt und Tritt begleiten, undsie hebt das Buch vom Boden auf und gräbt die Nase tief in den Falz. Kunst stinkt nicht, tadelt die Gemalte, und Marga schüttelt das Buch in ihren Händen, blättert vor und zurück, klopft Seite für Seite ab auf eine winzige Stelle Wahrheit, eine Spur Achtung und Liebe ihres Sohnes, und tatsächlich fällt ein einziges Wort heraus, zwei zuckende Silben, liegt nackt und kümmerlich auf dem Boden wie ein der schützenden Krume entrissener Wurm und wimmert hMa-hma!, und sie beugt sich über die nächste Seite und liest mit zitternden Händen und stolperndem Blick, wie ihr Junge weint und sich windet in seinem Winteralptraum vom Schneesturm über dem Moor.
    ◆◆
    Du erwachst von einem Schlag. Die Stille im Haus wie mit Kanten und Klingen, sie stottert dich aus dem Schlaf. Du klammerst dich ins Kissen, zerrst die Decke über dich, glaubst, sie knirschen zu hören, so kalt ist es plötzlich im Zimmer. Blinzeln, blinde Flecken vor den Augen, dann ist alles wieder da: Blaulicht, die roten Männer, Margas leeres Gesicht. Ein Klappern und Fauchen, das Malmen im Dachstuhl, von Splittern oder Scherben, Satzfetzen aus einem wütenden Draußen, und du fährst hoch und siehst mich durchs Fenster starren, den Schlund aus Eis und Schnee.
    Aber Schnee , denkst du und schließt wieder die Augen, ist doch ein Hauchwort, viel zu leise und weich für das Getöse, das dich jetzt in den Tag schreit, hSchnee wie hMoor oder hMeer, lose Silben mit Doppelvokal, nach

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