MoR 03 - Günstlinge der Götter
bin ich nicht qualifiziert oder erfahren genug«, stammelte Varro. Insgeheim wünschte er, er hätte diesen unbequemen, verblüffenden Mann nicht aufgesucht. Aber in den Monaten, in denen Varro Sullas runzliges Gesicht gesalbt hatte, hatte Sulla eine große Zuneigung zu ihm entwickelt, und er war beleidigt, wenn Varro ihm nicht seine Aufwartung machte.
»Beruhige dich, Varro, ich habe nur Spaß gemacht«, meinte Sulla lachend.
»Bei dir weiß man ja nie, Lucius Cornelius.« Varro überlegte, mit welchen Worten er Pompeius’ Besuch am besten ankündigte. Varro war kein Dummkopf. Er wußte, daß die Gefühle des Diktators gegenüber Pompeius zwiespältig waren.
Sulla ahnte nicht, wie Varro im Geiste mit Worten jonglierte, nur um einen einfachen Satz zu formulieren. »Wie ich hörte«, sagte er, »hat Varro Lucullus es endlich geschafft, seine Adoptivschwester, also deine Cousine, an den Mann zu bringen.«
»Du meinst Terentia?« Varros Gesicht hellte sich auf. »Oh! Ein wirklicher Glücksfall!«
»Es ist lange her, daß eine wohlhabende Frau wie Terentia so viel Mühe hatte, einen Mann zu finden«, meinte Sulla, der mittlerweile alle Arten von Klatsch liebte.
»Dieser Fall verhält sich etwas anders«, sagte Varro, um Zeit zu gewinnen. »Es findet sich immer ein Mann, der bereit ist, eine wohlhabende Frau zu heiraten. Das Problem bei Terentia war, daß sie sich keinen der Männer anschauen wollte, die ihre Familie für sie ausgesucht hatte. Sie ist wirklich die schlimmste Xanthippe Roms!«
Sullas Lächeln war einem breiten Grinsen gewichen. »Du meinst wohl, sie blieb lieber zu Hause und machte Varro Lucullus das Leben zur Hölle.«
»Vielleicht. Obwohl sie ihn sicher gern hat. Ihr Naturell ist schuld. Aber was kann sie dafür, schließlich wurde es ihr in die Wiege gelegt.«
»Was geschah also? Liebe auf den ersten Blick?«
»Ganz bestimmt nicht. Die Sache wurde von unserem Freund Titus Pomponius eingefädelt, der wegen seiner Vorliebe für Athen jetzt Atticus genannt wird. Anscheinend kennen sich er und Marcus Tullius Cicero schon seit vielen Jahren. Seit du alles kontrollierst Lucius Cornelius, kommt Atticus mindestens einmal im Jahr nach Rom.«
»Ich weiß«, sagte Sulla. Er verübelte Atticus seine Spekulationsgeschäfte nicht mehr als Crassus — durch die Art, wie Crassus die Proskriptionen zu seinem Vorteil manipuliert hatte, war er bei Sulla in Ungnade gefallen.
»Jedenfalls ist mit Ciceros Ruhm als Anwalt auch sein Ehrgeiz gewachsen. Aber seine Taschen sind leer. Deshalb mußte er eine reiche Erbin heiraten. Zunächst sah es so aus, als müßte er eines dieser entsetzlich durchschnittlichen Mädchen zur Frau nehmen, die unsere etwas zweifelhaften Plutokraten offenbar im Überfluß zeugen. Aber dann schlug Atticus Terentia vor.« Varro hielt inne und sah Sulla fragend an. »Kennst du Marcus Tullius Cicero überhaupt?«
»Als er noch ein Junge war, kannte ich ihn ganz gut. Mein verstorbener Sohn, der jetzt ungefähr im selben Alter wäre, war mit ihm befreundet. Damals hielt man Cicero für einen Wunderknaben. Nach dem Tod meines Sohnes und vor der Sache mit Sextus Roscius von Ameria sah ich ihn nur während des Bundesgenossenkrieges. Er war in der Campania mein Zeltkamerad. Seitdem hat er sich kaum verändert — nur, daß er jetzt sein eigentliches Betätigungsfeld gefunden hat. Er ist noch genauso pedantisch, redselig und selbstbewußt wie eh und je. Eigenschaften, die ihm als Anwalt zustatten kommen. Ich gebe offen zu, daß er sich hervorragend ausdrücken kann. Und er ist ein heller Kopf! Das Schlimme ist nur, daß er mit Gaius Marius verwandt ist. Sie stammen beide aus Arpinum.«
Varro nickte. »Atticus sprach mit Varro Lucullus, und dieser erklärte sich bereit, Terentia Ciceros Antrag zu übermitteln. Zu seiner Überraschung wollte sie Cicero unbedingt kennenlernen. Sie hatte von seinen überragenden Fähigkeiten bei Gericht gehört und erklärte gegenüber Varro Lucullus, sie wolle einen Mann heiraten, der imstande sei, Ruhm zu erlangen. Cicero sei vermutlich solch ein Mann.«
»Wie hoch ist ihre Mitgift?«
»Sehr hoch! Zweihundert Talente.«
»Dann müssen bei ihr die Bewerber ja Schlange stehen! Und sicher sind ein paar ganz hübsche Burschen darunter. Langsam fange ich an, Terentia zu bewundern, denn offenbar ist sie gegen Roms erfahrenste Mitgiftjäger gefeit.«
»Terentia ist häßlich, mürrisch, streitsüchtig und geizig«, sagte ihr Cousin bedächtig. »Sie ist jetzt
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