MoR 03 - Günstlinge der Götter
einundzwanzig und immer noch allein. Normalerweise sollen Mädchen dem Familienoberhaupt gehorchen und den Mann heiraten, der für sie ausgewählt wurde, aber es gibt keinen Mann — tot oder lebendig —, der Terentia etwas befehlen kann, was sie nicht will.«
»Und der arme Varro Lucullus ist so ein netter Mann«, meinte Sulla amüsiert.
»Genau.«
»Dann hat Terentia Cicero also getroffen?«
»Ja. Und zum Erstaunen aller war sie sogar bereit, ihn zu heiraten.«
»Glücklicher Cicero! Auch ein Günstling Fortunas. Ihr Geld kommt ihm sicher sehr gelegen.«
»Das glaubst du«, sagte Varro grimmig. »Sie selbst setzte den Ehevertrag auf und behielt die vollständige Kontrolle über ihr Vermögen. Sie erklärte sich lediglich bereit, allfälligen Töchtern eine Mitgift zu zahlen und sich an der Finanzierung der Karriere ihrer Söhne zu beteiligen. Aber was Cicero angeht — er ist nicht der Mann, um Terentia unterzukriegen.«
»Wie ist er eigentlich so als Mensch, Varro?«
»Ganz nett. Ich glaube, er hat einen weichen Kern. Aber er ist hochmütig, unerträglich eingebildet und fest davon überzeugt, daß sich keiner vom Verstand her mit ihm messen kann. . . Ein erfolgssüchtiger Aufsteiger. Er haßt es, daran erinnert zu werden, daß er mit Gaius Marius entfernt verwandt ist. Wäre Terentia eine dieser entsetzlich durchschnittlichen Töchter unserer etwas zweifelhaften Plutokraten gewesen, hätte er sie wahrscheinlich gar nicht angesehen. Aber ihre Mutter war Patrizierin und früher einmal mit Quintus Fabius Maximus verheiratet. Das bedeutet, daß die Vestalin Fabia ihre Halbschwester ist. Deshalb war Terentia >gut genug<, wenn du weißt, was ich meine.« Varro schnitt eine Grimasse. »Cicero ist ein Ikarus, Lucius Cornelius. Er will sich emporschwingen ins Reich der Sonne — als Neuling ohne einen Sesterz ein gefährliches Unterfangen.«
»Arpinum scheint nur solche Burschen hervorzubringen«, meinte Sulla. »Wie gut für Rom, daß dieser neue Mann aus Arpinum keine militärischen Fähigkeiten besitzt!«
»Wie ich hörte, soll das Gegenteil der Fall sein.«
»Oh, ich weiß es besser. Als er mein Zeltkamerad war, war er auch mein Sekretär. Beim bloßen Anblick eines Schwertes wurde er kreidebleich. Aber ich hatte nie einen besseren Sekretär! Wann ist die Hochzeit?«
»Erst nach den ludi Romani im September.« Varro lachte. »Varro Lucullus und sein Bruder haben im Moment nichts anderes im Kopf, als die besten Spiele vorzubereiten, die Rom je erlebt hat.«
»Schade, daß ich nicht in Rom sein kann, um sie zu sehen«, sagte Sulla, ohne dabei ein trauriges Gesicht zu machen.
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Varro nutzte die Gelegenheit, bevor Sulla ein anderes Thema anschnitt. »Weißt du eigentlich, Lucius Cornelius, daß Gnaeus Pompeius Magnus in Kürze nach Rom kommt?« fragte er zaghaft. »Er würde dich gern aufsuchen, aber er weiß ja, wie beschäftigt du bist.«
»Nicht zu beschäftigt, um Magnus zu sehen«, meinte Sulla vergnügt. Er sah Varro scharf an. »Läufst du immer noch mit Papier und Feder hinter ihm her, um jeden Furz aufzuschreiben, Varro?«
Varro wurde knallrot; bei Sulla wußte man nie, wie er selbst über die harmlosesten Dinge dachte. Glaubte er vielleicht, daß Varro seine Zeit besser damit verbringen sollte, alle Taten (oder jeden Furz) des Lucius Cornelius Sulla aufzuschreiben? »Hin und wieder tue ich das«, sagte Varro kleinlaut. »Es begann durch Zufall, weil wir gerade zusammen waren, als der Krieg ausbrach und ich gegen Pompeius’ Enthusiasmus nicht gefeit war. Er sagte, ich solle über Geschichte schreiben, nicht über Naturkunde. Und das tue ich. Aber ich bin nicht Pompeius’ Biograph.«
»Gut geantwortet!«
So kam es, daß Varro sich erst einmal den Schweiß vom Gesicht wischen mußte, als er das Haus des Diktators auf dem Palatin verließ. Sie hatten endlos über den Löwen und den Fuchs in der Person Sullas gesprochen, obwohl Varro insgeheim der Meinung war, daß nur eine gewöhnliche Katze in ihm steckte.
Aber Varro hatte seine Sache gut gemacht. Als Pompeius mit seiner Frau in Rom eintraf und sich im Haus seiner Familie in Carinae einquartierte, konnte Varro ihm mitteilen, daß Sulla ihn empfangen und ihm genügend Zeit für eine gemütliche Plauderei widmen wolle. So hatte Sulla sich ausgedrückt, aber natürlich war das ironisch gemeint. Eine gemütliche Plauderei mit Sulla konnte sich am Ende als Balanceakt erweisen.
Aber ach, das Selbstvertrauen und
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