MoR 03 - Günstlinge der Götter
nicht ins Gesicht zu sehen. »Ich habe mich ein bißchen mit dem ersten Kapitän der Flotte aus Rhodos unterhalten. Dabei kam heraus, daß Caesar die übrige Beute tatsächlich den Behörden von Rhodos, Xanthos und Patara übergeben hat. Der Fang war zwar reich, aber es gab keine märchenhaften Schätze. Der Kapitän vermutete, daß Caesar nur sehr wenig für sich selbst behalten hat, und diese Meinung wird von allen Betroffenen geteilt. Einer von Caesars Freigelassenen sagte, der Senator wisse zwar Reichtum zu schätzen, sei aber zu klug, als daß er das Geld über sein politisches Ansehen stellte. Caesar werde man nie vor dem Gerichtshof für Erpressungsfälle verklagen können. Außerdem soll er, noch während seiner Gefangenschaft in dem Piratenunterschlupf, den Seeräubern geschworen haben, er werde sie alle kreuzigen lassen. Es dürfte schwerfallen, ihm nachzuweisen, daß er sich an der Beute bereichert hat, Marcus Junius.«
Juncus trocknete sich die Tränen und putzte sich die Nase. »Ich kann auch nicht beweisen, daß er in Nikomedeia oder anderswo in Bithynien irgend etwas für sich beiseite geschafft hat. Aber er hat es bestimmt getan. Da bin ich mir sicher. Ich habe rechtschaffene Männer während meiner Laufbahn kennengelernt, aber ich schwöre, er gehört nicht zu ihnen, Pompeius! Er ist viel zu selbstsicher, als daß er ein lauterer Mensch sein könnte. Und viel zu überheblich. Er tut so, als gehöre ihm die ganze Welt!«
»Nach den Worten des Anführers der Piraten — der Caesar übrigens für einen seltsamen Vogel hielt — hat er sich genauso überheblich verhalten, als er noch ihr Gefangener war. Überall, wo er auftauchte, soll er die Leute herablassend, aber immer witzig beleidigt haben. Seine Lösegeldsumme war auf zwanzig Talente festgesetzt worden, worüber er geradezu empört war. Er sei mindestens fünfzig Talente wert, hat er ihnen gesagt. Tatsächlich brachte er sie dazu, die Summe auf fünfzig Talente zu erhöhen!«
»Ach, deshalb hat er von fünfzig Talenten gesprochen! Mir war es damals zwar aufgefallen, aber ich war zu wütend auf ihn, als daß ich deswegen nachgehakt hätte, und dann habe ich es vergessen.« Juncus schüttelte den Kopf. »Vielleicht liegt hier die Erklärung, Pompeius. Der Mann ist wahnsinnig! Fünfzig Talente ist das übliche Lösegeld für einen Zensor. Ja, ich glaube, der Mann ist einfach wahnsinnig.«
»Vielleicht wollte er damit auch nur Xanthos und Patara einschüchtern, damit sie sofort zahlen«, äußerte Pompeius.
»Nein! Er ist wahnsinnig, und der Wahn zeigt sich in seiner grenzenlosen Selbstherrlichkeit. Das war schon immer sein beherrschender Zug.« Juncus’ Miene verfinsterte sich. »Die Gründe, die dahinterstehen, sind mir gleichgültig. Aber für das, was er mir angetan hat, muß er mir büßen! Oh, ich kann es immer noch nicht glauben! Zwei Millionen Sesterzen!«
Wenn Caesar befürchtet haben sollte, daß man ihm feindselig begegnen werde, was bei seinen politischen und militärischen Großtaten nicht ausbleiben konnte, so ließ er sich doch nichts anmerken. Als sein Schiff schließlich im Hafen von Rhodos ankerte, entlohnte er den Kapitän und gab ihm ein großzügiges Draufgeld. Dann mietete er ein bequemes, aber nicht protziges Haus am Stadtrand und nahm sein Studium bei dem großen Rhetoriklehrer Apollonius Molon auf.
Da Rhodos, diese große, dem kleinasiatischen Festland vorgelagerte Insel, ein Zentrum des Handels im östlichen Mittelmeer war, herrschte an Nachrichten und Klatsch kein Mangel. Ein Römer, der zum Studium hierhergekommen war, mußte sich von Rom und den Entwicklungen in den anderen Teilen der römischen Welt nicht abgeschnitten fühlen. So erfuhr Caesar von Pompeius’ Brief an den Senat, wie sich der Senat darauf verhielt und welche Rolle Lucullus dabei spielte. Er erfuhr auch, daß der letztjährige Konsul Lucius Octavius in Tarsos gestorben war, wo er erst Anfang März seinen Posten als Statthalter Cilicias angetreten hatte. Noch wußte niemand, wen der Senat als Ersatz nach Tarsos schicken würde. Daß König Nikomedes Bithynien testamentarisch dem Römischen Reich überlassen hatte, war in allen Ständen Roms mit Freude aufgenommen worden, aber, soviel bekam Caesar auch in Rhodos mit, nicht alle waren damit einverstanden, daß das neue Land der Provinz Asia einverleibt wurde. Der Streit darüber war noch nicht entschieden, wenn auch Juncus bereits den Befehl erhalten hatte, mit der Eingliederung zügig
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