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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Aufrichtigkeit, seiner Worte, seiner Intelligenz, seiner Verdienste, seiner Fähigkeiten, seines Wissens, seines Ansehens, seiner Wertschätzung... Dignitas überlebte den Tod eines Mannes, sie war die einzige Möglichkeit, über den Tod zu triumphieren. Ja, das war die beste Beschreibung. Dignitas war der Triumph eines Menschen über seine Auslöschung als lebendes Sein. Und so gesehen, dachte Varro, lag Pompeius mit seiner Vermutung vollkommen richtig. Wenn Sulla etwas am Herzen lag, dann seine dignitas. Er hatte gesagt, er werde Mithridates besiegen. Er hatte versprochen, nach Italien zurückzukehren und für seine Rechte zu kämpfen. Er hatte angekündigt, die Republik in ihrer alten, traditionellen Form wiederauferstehen zu lassen. Und was immer er angekündigt hatte, er hatte es vollbracht. Hätte er versagt, dann hätte seine dignitas Schaden genommen. Jenseits der Gesetze, jenseits von Rom konnte es keine dignitas geben. Sullas Antrieb, seine Worte wahr werden zu lassen, lag also in ihm selbst begründet. Erst wenn er seine Prophezeiungen in die Tat umgesetzt hatte, würde er zufrieden sein können. Bis dahin konnte — und wollte — er nicht ruhen.
    »Wenn du tatsächlich dieser Ansicht bist«, sagte Varro schließlich, »erweist du Sulla die höchstmögliche Anerkennung.«
    »Bitte?« Pompeius blickte ihn fragend an.
    »Damit meine ich«, erklärte Varro geduldig, »daß du mir gezeigt hast, daß Sulla unmöglich verlieren kann. Er kämpft für etwas, von dem Carbo nicht einmal weiß, was es ist.«
    »Ach so! Ja, genau so ist es!« stimmte Pompeius Varro zu.
    Inzwischen waren sie nicht mehr weit vom Aesis entfernt, der durch das Herzland von Pompeius’ Provinz floß. Pompeius hatte sein jugendliches Ungestüm keineswegs abgelegt. Aber er war durch die neuen Erfahrungen reifer geworden, und er lernte mit jedem Tag dazu. So hatte etwa Sullas geschickter Einsatz der Reiterei sein Interesse für einen Truppenteil geweckt, den er früher, typisch für einen Römer, nie ernst genommen hatte. Römer glaubten an den Fußsoldaten und waren bis zu einem gewissen Grad der Ansicht, daß die Reitersoldaten mehr zur Zierde als zum Kampf taugten und so eher eine Last denn eine Hilfe darstellten. Varro wiederum war überzeugt, daß Rom nur aus einem einzigen Grund eine Reiterei unterhielt: weil das auch seine Feinde taten.
    Zu Zeiten, als in Rom noch die Könige regiert hatten, und in den frühen Jahren der Republik, bildeten die Reitersoldaten die militärische Elite, waren sie Roms Speerspitze. Daraus hatte sich der Ritterstand entwickelt, der ordo equester, wie Gaius Gracchus ihn genannt hatte. Pferde waren unerschwinglich gewesen, die meisten Männer konnten sie nicht aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. Aus dieser Situation heraus war die Tradition des Staatspferdes erwachsen, das vom Staat gekaufte und unterhaltene Pferd eines Ritters.
    Zu Sullas Zeit hatte der römische Reitersoldat praktisch nur wirtschaftliche Bedeutung. Der Ritter — Geschäftsmann oder Landbesitzer und Mitglied der ersten Klasse der Zenturien in einem — war das Relikt der römischen Reitersoldaten. Dennoch stellte der Staat den achtzehnhundert höchsten Rittern immer noch ein Staatspferd zur Verfügung.
    Varro, dessen größtes Vergnügen darin bestand, den gewundenen Pfaden eines Gedankens zu folgen, merkte, daß er den Faden verloren hatte. Er riß sich zusammen und lenkte seine Gedanken wieder zurück zu ihrem Ausgang: Pompeius’ Interesse an der Reiterei. Die unter Pompeius’ Kommando stehende Reiterei war nicht in Italien rekrutiert worden, Sulla hatte sie aus Griechenland mitgebracht. So kam es auch, daß sich kein einziger Gallier darunter fand. Wären die Reitersoldaten in Italien angeworben worden, Pompeius’ Reiterei würde fast ausschließlich aus Galliern bestehen, die entweder aus dem jenseits des Po gelegenen Teil des italischen Galliens oder aus dem weiten Tal der Rhône in Gallia Transalpina rekrutiert worden wären. So aber waren Sullas Reiter größtenteils Thraker, unter denen sich auch einige hundert Galater fanden. Gute Kämpfer und so treu ergeben, wie man es nur von Männern erwarten konnte, die keine Römer waren. Sie genossen Auxiliar-Status, und zumindest einige von ihnen konnten darauf hoffen, nach Beendigung eines siegreichen Feldzugs mit der Verleihung des vollen römischen Bürgerrechts oder einem Stück Land belohnt zu werden.
    Den ganzen Weg von Teanum Sidicinum her hatte Pompeius überlegt, wie er diese in

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