MoR 04 - Caesars Frauen
ihrer Schwiegermutter hatte; Aurelias Hang zum Addieren von Zahlen schreckte sie ab. Außerdem war es klug gewesen, Pompeia sein Arbeitszimmer zur Verfügung zu stellen (Caesar hatte ja noch seine Wohnung, in der er arbeiten konnte). Solange sie das Arbeitszimmer und das daran angrenzende Eheschlafzimmer benutzen durfte, hielt sie sich in den anderen Bereichen von Aurelias Wohnung nicht auf. Die Geräusche lachender und plappernder Frauen drangen aus dem Arbeitszimmer, aber niemand kam heraus, um Caesar in den Weg zu treten.
»Wer ist bei ihr?« fragte er und setzte sich in den Sessel gegenüber Aurelias Schreibtisch.
Der Platz war so schmal, daß ein fülligerer Mann als Caesar Probleme gehabt hätte, sich in den Sessel zu quetschen, aber in der Logik und Zweckmäßigkeit, mit der hier alles geordnet war, zeigte sich Aurelias Hand: Regale für Rollen und Papier, an denen sie ihren Kopf nicht stoßen würde, wenn sie sich aus ihrem eigenen Sessel erhob, aufeinander gestapelte Ablagekörbe auf den Teilen des Schreibtischs, die sie für die aktuelle Arbeit nicht benötigte; die ledernen Behälter für die Bücher hatte sie in die Ecken des Zimmers verbannt.
»Wer ist bei ihr?« wiederholte er seine Frage, als sie nicht antwortete.
Sie ließ die Feder sinken, sah ihn widerwillig an und seufzte. »Eine schrecklich alberne Gesellschaft«, sagte sie.
»Das mußt du mir nicht sagen. Albernheit zieht Albernheit an. Wer?«
»Beide Clodias. Und Fulvia.«
»Oje! Viel Rasse und wenig Geist. Treibt sich Pompeia auch mit Mannern herum, Mater?«
»Nein, nie. Hier in meinem Hause dulde ich es nicht, und wenn sie ausgeht, gebe ich ihr Polyxena mit. Polyxena ist absolut unbestechlich. Natürlich nimmt Pompeia ihr dümmliches Mädchen auch mit, aber mit Polyxena können die beiden es nicht aufnehmen, da kannst du sicher sein.«
Seine Mutter fand, daß Caesar müde aussah. Sein Jahr als Vorsitzender des Mordgerichts war äußerst anstrengend gewesen, und er hatte es mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Tatkraft hinter sich gebracht.
Mochten andere Gerichtspräsidenten eine ruhige Kugel schieben und ausgedehnte Ferien machen, so etwas gab es bei Caesar nicht. Natürlich wußte Aurelia von seinen Schulden, aber das Thema Geld führte zwangsläufig zu Spannungen zwischen ihnen. Auch wenn sie darauf brannte, ihn danach zu fragen, sie verkniff es sich und sagte kein Wort. Er selbst gestattete es sich nicht, sich wegen einer Schuldensumme der Verzweiflung zu überlassen, die jetzt, wo er das Darlehen nicht zurückzahlen konnte, rapide anstieg; irgendwo in seinem Inneren schien er überzeugt davon zu sein, das Geld eines Tages aufbringen zu können, aber Aurelia wußte, daß Geldsorgen sich wie ein grauer Schatten selbst auf das heiterste und zuversichtlichste Gemüt legen konnten. Und sie zweifelte nicht daran, daß ein solcher Schatten auch auf seinem Gemüt lag.
Und sein Verhältnis mit Servilia dauerte noch immer an. Nichts schien dieser Beziehung etwas anhaben zu können. Julia dagegen, die einen Monat nach ihrem dreizehnten Geburtstag zu menstruieren begonnen hatte, zeigte immer weniger Begeisterung für Brutus. Natürlich ließ sich das Mädchen nicht zu Grobheiten oder auch nur zu unhöflichen Äußerungen hinreißen, aber statt sich jetzt, wo sie zur Frau heranreifte, stärker zu Brutus hingezogen zu fühlen, wurde sie merklich kühler; Zuneigung und Mitgefühl waren ersetzt worden durch — Langeweile? Ja, Langeweile. Ein Gefühl, das keine Ehe verkraftete.
All diese Probleme lagen Aurelia schwer auf der Seele, während andere vergleichsweise kleinere Ärgernisse darstellten: die Wohnung, zum Beispiel, die für einen Mann von Caesars Bedeutung viel zu klein geworden war. Schon längst nicht mehr konnten sich alle seine Klienten auf einmal hier versammeln, und es war auch keine gute Adresse für einen Mann, der in fünf Jahren Erster Konsul sein würde. Und daran hatte Aurelia nicht die geringsten Zweifel. Sein Name, seine Herkunft, sein Aussehen, sein Charme, die Gelassenheit seines Auftretens und seine intellektuellen Fähigkeiten waren eine Garantie dafür, daß Caesar bei jeder Wahl ganz oben stehen würde. Er hatte zwar eine Menge einflußreicher Feinde, aber keiner von ihnen würde seine Machtbasis innerhalb der ersten beiden Klassen, die so wichtig für seinen Erfolg in den Zenturien war, ernsthaft erschüttern können. Ganz abgesehen davon, daß er in den Klassen, die in den Zenturien nicht viel zählten, ein
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