MoR 05 - Rubikon
Litaviccus auf den Weg. Er ritt sein bestes Pferd, trug seine besten Kleider — auf den Umhang hatte er allerdings verzichtet — und führte drei Packpferde am Zügel, auf denen sein Gold, seine anderen Schätze und sein Pelzmantel verstaut waren. Sein erstes Ziel war der Jura, wo er ins Gebiet der Helvetier kam. Er war überzeugt, daß man ihn als Feind Roms überall willkommen heißen würde, schließlich haßten doch alle Barbaren Rom. Er brauchte also nur zu sagen, daß Caesar eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, und man würde ihn von Gallien bis Galatien feiern und bewundern. Im Jura war das auch so, doch dann, bei den Quellen des Danubius, kam er ins Gebiet der Verbigener und wurde gefangengenommen. Die Verbigener scherten sich einen Dreck um Rom oder Caesar. Sie nahmen Litaviccus seine gesamte Habe ab und machten ihn einen Kopf kürzer.
»Wenigstens ist es Rhiannon und nicht meine Tochter oder meine Mutter, wenn ich schon eine der drei tot sehen muß«, sagte Caesar zu Trebonius.
Trebonius wußte nicht, was er sagen sollte, wie er ausdrücken konnte, was er angesichts dieser ungeheuren Greueltat empfand — Schmerz, Kummer, glühenden Zorn, all die Gefühle, die ihn beim Anblick des armen, schwarzgesichtigen Geschöpfes bewegten, das man mit seinen eigenen Haaren erdrosselt hatte. Das Haar hatte wieder nachgegeben, so daß sie nun mit leicht gebeugten Knien auf dem Boden stand. Ach, es gab keine Gerechtigkeit! Dieser Mensch Caesar war so einsam, so unnahbar, so erhaben über all die, denen er an jedem Tag seines außergewöhnlichen Lebens begegnete! Rhiannon war ihm eine angenehme Gesellschaft gewesen, hatte ihm die Zeit vertrieben, und er hatte hingerissen ihrem Gesang gelauscht. Nein, geliebt hatte er sie nicht, aber Liebe wäre ihm auch eine Last gewesen, so gut kannte Trebonius Caesar inzwischen. Was konnten Worte hier sagen? Wie sollten sie den Schock, diese tiefste Kränkung, diese sinnlose Wahnsinnstat lindern? Nein, es gab keine Gerechtigkeit!
Seit sie in den Hof geritten waren und dort das Gemetzel entdeckt hatten, hatte sich auf Caesars Gesicht keinerlei Gefühlsregung gezeigt. Dann hatten sie das Haus betreten und Rhiannon entdeckt.
»Hilf mir«, riß Caesar Trebonius aus seinen Gedanken.
Die Männer holten sie herunter, fanden ihre Kleider und Juwelen unberührt im Wagen und kleideten sie für das Begräbnis an. Einige germanische Soldaten ihrer Eskorte hoben ein Grab aus. Da die Kelten ihre Toten nicht verbrannten, würde Rhiannon in der Erde begraben werden, ihre ermordeten Sklaven zu Füßen, wie es sich für eine vornehme Dame und Tochter eines Königs ziemte.
Gotus, der Befehlshaber der ursprünglichen vierhundert Ubier Caesars, wartete draußen.
»Der Junge ist nicht hier«, berichtete er. »Wir haben im Umkreis von einer Meile die Umgebung abgesucht — alle Zimmer im Haus, alle anderen Gebäude, jeden Brunnen, jeden Stall — wir haben nichts ausgelassen, Caesar. Der Junge ist verschwunden.«
»Danke, Gotus«, sagte Caesar lächelnd.
Daß er sich so in der Gewalt hatte, wunderte sich Trebonius. Immer war er so beherrscht und freundlich. Aber was wird der Preis dafür sein?
Kein Wort fiel mehr bis zum Ende der Beerdigung. Da kein Druide zur Verfügung stand, übernahm Caesar dessen Amt.
»Wann soll die Suche nach Orgetorix beginnen?« fragte Trebonius, als sie Litaviccus’ verlassenes Anwesen auf ihren Pferden verließen.
»Überhaupt nicht.«
»Was?«
»Ich will keine Suche.«
»Warum nicht?«
»Die Sache ist erledigt«, sagte Caesar. Seine kalten, hellen Augen blickten fest in die Augen von Trebonius, nicht anders als sonst — mit nüchtern beherrschter Zuneigung und distanziertem Verständnis. Caesar sah weg. »Ihr Gesang wird mir fehlen«, sagte er. Dann sprach er nie wieder von Rhiannon oder seinem verschwundenen Sohn.
V. Das Land der langhaarigen Gallier
Januar bis Dezember 51 v. Chr.
A ls die Nachricht von Vercingetorix’ Niederlage und Gefangennahme in Rom eintraf, ordnete der Senat ein Dankfest von zwanzig Tagen an. Das konnte freilich den Schaden nicht ungeschehen machen, den Pompeius und seine neuen Bundesgenossen, die boni , Caesar während dieses Jahres ununterbrochener Kämpfe zugefügt hatten. Sie hatten genau gewußt, daß Caesar weder die Zeit noch die Energie hatte, sich gegen ihre Machenschaften persönlich zur Wehr zu setzen. Caesar ließ sich über das Geschehen in Rom zwar auf dem laufenden halten, doch beschäftigten ihn dringendere
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