MoR 05 - Rubikon
nicht scheute, Curio in aller Öffentlichkeit laszive Küsse zu geben, wäre nie auch nur eine Sekunde lang für homosexuell gehalten worden.
»Ich habe nicht erwartet, daß die boni beeindruckt sind«, erwiderte Antonius. »Aber Caesar meint, ich könnte einen guten Volkstribunen abgeben, auch wenn das heißt, daß ich deinen Anweisungen folgen muß.«
»Da gebe ich Caesar recht. Und ob es dir gefällt oder nicht, mein lieber Marcus Antonius, du wirst in den nächsten Monaten schön aufpassen und lernen. Ich bringe dir bei, wie man mit den boni fertig wird.«
Neben Curio lag auf dem Sofa die hochschwangere Fulvia. Antonius, seinen Freunden gegenüber stets treu, kannte sie seit vielen Jahren und schätzte sie sehr. Sie war leidenschaftlich, hingebungsvoll, intelligent, verläßlich. Obwohl ihre Jugendliebe Publius Clodius gewesen war, hatte sie es offenbar geschafft, ihre Gefühle auf den ganz anderen Curio zu übertragen. Anders als die meisten Frauen, die Antonius kannte, verschenkte Fulvia ihre Liebe nicht, um versorgt zu werden. Nur wer tapfer und klug war und auf der politischen Bühne etwas darstellte, konnte ihre Liebe gewinnen, wie Clodius oder jetzt Curio. Bei einer Enkelin des Gaius Gracchus und einer so temperamentvollen Frau war das auch gar nicht verwunderlich. Obwohl sie inzwischen die Dreißig überschritten hatte, war sie noch immer sehr schön und so fruchtbar wie eh und je. Vier Kinder hatte sie Clodius geboren, und nun bekam sie eines von Curio. Wie brachte sie es nur fertig, in einer Stadt, deren adlige Frauen so häufig im Kindbett starben, ein Kind nach dem anderen in die Welt zu setzen — obwohl ihr Stammbaum so alt war und ihre vornehmen Ahnen so oft untereinander geheiratet hatten?
»Wann ist es denn soweit?« fragte Antonius.
»Bald«, antwortete Fulvia. Sie streckte den Arm aus und zauste Curio das Haar. Dann lächelte sie Antonius an. »Wir — äh — haben unserer rechtlichen Verbindung vorgegriffen.«
»Warum habt ihr nicht früher geheiratet?«
»Frag Curio.« Sie gähnte.
»Ich wollte erst meine Schulden loswerden, bevor ich eine steinreiche Frau heirate.«
Antonius sah ihn entgeistert an. »Ich werde einfach nicht schlau aus dir, Curio. Was kümmern dich Schulden?«
»Weil Curio eben nicht so ist wie wir anderen armen Schlucker«, ertönte eine vergnügte Stimme.
»Dolabella! Komm rein!« rief Curio. »Mach Platz, Antonius.«
Publius Cornelius Dolabella, ein verarmter Patrizier, machte es sich neben Antonius auf dem Sofa bequem und nahm dankend einen Becher mit Wasser verdünntem Wein in Empfang, den Curio eingegossen hatte.
»Gratuliere, Antonius«, sagte er.
Sie verkörperten beide den gleichen Typus Mann, dachte Curio, zumindest von der Figur her. Dolabella war wie Antonius hochgewachsen und von prachtvoller Statur sowie beherrschender Männlichkeit, auch wenn Curio ihn für geistig überlegen hielt, und sei es nur deshalb, weil ihm Antonius’ Maßlosigkeit fehlte. Außerdem hatte er ein erheblich schöneres Gesicht als Antonius; daß er und Fulvia Blutsverwandte waren, zeigte sich deutlich an ihren Gesichtszügen und den hellbraunen Haaren, den schwarzen Augenbrauen und Wimpern und den dunkelblauen Augen.
Dolabellas finanzielle Situation war derart prekär, daß er nur dank einer Zufallsheirat vor zwei Jahren in den Senat gelangt war. Auf Clodius’ Betreiben hatte er Fabia, die frühere Erste Vestalin und Halbschwester von Ciceros Frau Terentia, umworben und schließlich erobert. Zwar hatte die Ehe nicht lange gehalten, aber Dolabella war als Eigentümer von Fabias riesiger Mitgift aus ihr hervorgegangen und erfreute sich obendrein der Zuneigung von Ciceros Frau, die Fabia die Schuld an der Auflösung der Ehe gab.
»Du sollst ein Auge auf Ciceros Tochter geworfen haben, Dolabella. Habe ich da richtig gehört?« fragte Fulvia, einen Apfel kauend.
Dolabella sah sie zerknirscht an. »Wie ich sehe, funktioniert die Gerüchteküche wieder einmal bestens.«
»Du machst Tullia also den Hof?«
»Eigentlich versuche ich, es nicht zu tun. Das Dumme ist nur, daß ich mich in sie verliebt habe.«
»In Tullia?«
»Das kann ich gut verstehen«, mischte sich Antonius ein. »Klar, wir alle lachen über Ciceros Mätzchen, aber auch sein größter Feind kann nicht bestreiten, daß er Geist und Verstand besitzt. Und Tullia ist mir bereits vor Jahren aufgefallen, als sie mit ihrem ersten Mann verheiratet wurde — mit Piso Frugi. Ausgesprochen hübsch und temperamentvoll.
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