MoR 05 - Rubikon
frisch verheiratet und mein Sohn ist noch ein Säugling«, sagte Piso. »Die Lage ist für einen Mann meines Alters zwar gefährlich, aber ich kann mich doch nicht davonmachen wie ein sardischer Bandit.«
»Ich bin geblieben, weil ich an Caesars Sieg glaube«, sagte Cotta freundlich lächelnd. »Er ist mein Neffe, und ich habe noch nie erlebt, daß er unüberlegt gehandelt hätte.«
»Und ich«, rief Philippus, »ich bin einfach zu bequem. Ich habe doch keine Lust, den Winter in Kampanien zu verbringen! Scheußlich! Ausgekühlte, leere Häuser und kein Personal, um die Kohlenbecken anzuzünden! Kein Fisch, dafür jeden Tag Kohl! Nein, das wäre entsetzlich!«
Die anderen lachten, und das Mahl verlief in allgemeiner Heiterkeit. Piso war ohne seine neue Frau gekommen, Cotta war Witwer, aber Philippus’ Frau Atia und ihr dreizehnjähriger Sohn Gaius Octavius waren anwesend.
»Was sagst du denn zu alldem, Gaius Octavius?« fragte Cotta, sein Großonkel.
Der allein lebende Cotta war oft bei Philippus zu Gast, denn Atia sorgte und kümmerte sich um ihn. Der junge Gaius Octavius faszinierte Cotta, wenn auch nicht auf dieselbe Weise wie Caesar, als dieser ein Kind gewesen war. Eine gewisse Ähnlichkeit war allerdings vorhanden. Auch Gaius Octavius war schön, nur seine Ohren standen etwas ab. Caesars Schönheit war makellos gewesen. Beide waren blond; im Gegensatz zu Caesars geheimnisvollen Augen waren Octavius’ Augen größer und von einem leuchtenden Grau. Nachdenklich überlegte Cotta, wie man Caesars Blick treffend beschreiben konnte. Zuerst hielt man ihn für unschuldig und aufrichtig, bis man irgendwann merkte, daß sein Blick niemals seine Gedanken verriet. Seine Augen blickten nicht leidenschaftlich, sondern geheimnisvoll, verschleiert.
»Ich glaube, Caesar wird siegen, Onkel Cotta.«
»Darin sind wir uns einig. Aber warum glaubst du das?«
»Weil er besser ist als die anderen.« Gaius Octavius nahm einen leuchtend roten Apfel und biß mit seinen ebenmäßigen, weißen Zähnen hinein. »Auf dem Schlachtfeld kann es keiner mit ihm aufnehmen. Pompeius ist ein guter Organisator, als Feldherr jedoch zweitklassig. Er hat keine Schlachten geschlagen, die einen zweiten Polybius inspirieren könnten. Er hat seine Gegner immer zermürbt, das war seine Stärke. Onkel Caesar hat das zwar auch getan, er hat aber auch viele glänzende Siege errungen.«
»Na ja, einige waren nicht so glänzend, Gergovia zum Beispiel.«
»Stimmt, aber verloren hat er auch nicht.«
»Stimmt auch wieder. Gut, soweit zur Kriegführung. Was kann Caesar deiner Meinung nach noch besser?«
»Er ist ein guter Politiker und beherrscht die Kunst der Manipulation. Weder gibt er sich einer aussichtslosen Sache hin noch verbündet er sich mit Leuten, die das tun. Dabei ist er genauso fähig wie Pompeius, wenn nicht fähiger! Er ist ein besserer Redner, ein besserer Rechtsgelehrter und ein besserer Stratege.«
Piso wurde bei diesen Worten plötzlich bewußt, daß er den Jungen nicht mochte. Wie kam es, daß ein Junge dieses Alters wie ein Lehrer daherredete? Für wen hielt er sich eigentlich? Und dann war er noch schön, viel zu schön! So affektiert, wie er war, würde er wahrscheinlich in einem Jahr schon einen Liebhaber haben.
Pompeius, die Konsuln und ein Großteil der Senatoren trafen am zweiundzwanzigsten Tag des Januar in Teanum Sidicinum in Kampanien ein. Dort machten sie Station, um ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen, das die Flucht aus der Hauptstadt nach sich gezogen hatte. Nicht alle Senatoren waren Pompeius gefolgt; einige waren zu ihren leerstehenden Landhäusern an der Küste gereist, andere irgendwohin, wo Pompeius nicht war.
In Teanum Sidicinum erwartete sie Titus Labienus. Pompeius begrüßte ihn wie einen verlorenen Bruder, umarmte ihn und küßte ihn auf die Wange.
»Woher kommst du?« fragte er ihn. Neben Pompeius standen seine Aufpasser aus dem Senat, Cato, die drei Marcelli und Lentulus Crus, hinter ihm mit betrübter Miene Metellus Scipio.
»Aus Placentia«, antwortete Labienus.
Die Männer kannten Labienus vom Sehen aus seiner Zeit als Volkstribun; allerdings hatten sie ihn wie Pompeius seit zehn Jahren nicht mehr gesehen — seit Labienus unter Caesars Konsulat Rom verlassen und Dienst in Gallia Cisalpina getan hatte. Erschrocken starrten sie ihn an, so sehr hatte er sich verändert. Labienus war ein hartgesottener, skrupelloser und autoritärer Offizier geworden und sah mit seinen knapp vierzig Jahren
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