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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Nemer! Die Eiche! An welchem Baum hängen im Wind klappernd die Skelette derer, die sie ihrem Kriegsgott Esus opfern? Nemer! Die Eiche! Unter welchem Baum errichtet der Druide seinen Altar, auf den er mit dem Gesicht nach unten sein menschliches Opfer legt, dem er dann mit einem Schwert das Rückgrat spaltet, um aus seinen Zuckungen die Zukunft zu lesen? Nemer! Die Eiche! Unter welchem Baum flechten die Druiden ihre Weidenkäfige, um sie dann mit Gefangenen vollzustopfen, die sie zu Ehren ihres Donnergottes Taranis verbrennen? Nemer! Die Eiche!«
    Er schwieg. Hoch zu Roß saß er da, den scharlachroten Feldherrnmantel in geordneten Falten über die Flanken seines Pferdes drapiert. Dann lächelte er strahlend, und seine erschöpften Soldaten lächelten zurück und spürten, wie neue Kraft in ihre Glieder strömte.
    »Glauben wir Römer an Geister in Bäumen?«
    »NEIN!« brüllten die Soldaten.
    »Glauben wir, daß Eichen magische Eigenschaften haben?«
    »NEIN!« brüllten die Soldaten.
    »Glauben wir an Menschenopfer?«
    »NEIN!« brüllten die Soldaten.
    »Mögen wir diese Leute?«
    »NEIN!« brüllten die Soldaten.
    »Dann rauben wir ihnen jetzt den Verstand und ihren Lebenswillen, indem wir ihnen zeigen, daß Rom mächtiger ist als die mächtigste Eiche, daß Rom ewig ist, die Eiche aber nicht! Wir werden die Geister ihrer Eichen befreien, auf daß sie die Moriner heimsuchen bis ans Ende der Zeiten!«
    »JA!« brüllten die Soldaten.
    »An die Äxte!«
    Meile für Meile fraßen Caesar und seine Männer sich durch den Eichenwald und drängten die Moriner in ihre Marschen zurück. Auf einer tausend Fuß breiten Schneise fällten sie Eichen und schichteten die rohen Stämme und Äste auf beiden Seiten zu großen Wällen auf; mit Strichlisten begleiteten sie das Ächzen, mit dem die gewaltigen alten Bäume sich neigten, und benommen vor Entsetzen wichen die Moriner zurück, bis die Marschen sie verschluckten; dort trauerten sie fassungslos.
    Auch der Himmel trauerte. Am Rand der Salzmarschen begann es zu regnen, und es regnete, bis die Zelte der Römer durchweicht und die Soldaten naß waren und vor Kälte zitterten. Doch das Werk war getan. Zufrieden hatte Caesar sich mit seinen Männern in ein komfortables Winterlager zurückgezogen. Die Kunde seiner Tat breitete sich rasch aus; Belgen und Kelten trauerten, fassungslos angesichts von Menschen, die Bäume mordeten und trotzdem noch nachts schlafen und tagsüber lachen konnten.
    Doch für die Legionäre existierten nur die römischen Götter, und ihr Denken wurde nicht durch exotische Geister beeinträchtigt. Deshalb schritten sie auf dem Marsch von Portus Itius nach Samarobriva trotz der am Wegrand liegenden stummen, gefallenen Giganten unbeschwert aus und sangen ihre Lieder.
    Caesar, der unter ihnen marschierte, blickte lächelnd auf den Eichenwall. Er war dabei, neue Methoden der Kriegsführung zu lernen. Die Vorstellung, den Gegner in dessen Kopf bekriegen zu können, faszinierte ihn. Sein Glaube an sich und seine Soldaten war zwar grenzenlos, aber viel besser war noch, wenn der Sieg im Kopf des Gegners stattfand. Wer so besiegt wurde, konnte sein Joch nie abwerfen. Das Land der langhaarigen Gallier würde sich ihm beugen müssen. Er, Caesar, beugte sich nicht.

    Der bekannte Spruch der Griechen, nichts auf der Welt sei häßlicher als ein gallisches oppidum , traf leider auch auf Samarobriva zu. Die Festung lag an dem Fluß Samara inmitten eines üppigen Tales, das zwar jetzt auch braun und verdorrt war, aber immer noch fruchtbarer als die meisten anderen Täler. Samarobriva war das Hauptoppidum des belgischen Stammes der Ambianer, die enge Verbindungen zu ihren Nachbarn und Verwandten im Norden hielten, zu Commius und den Atrebaten. Im Süden und Osten grenzte ihr Land an das der Bellovacer, eines wilden und kriegerischen Stammes, der sich zwar unterworfen hatte, in dem es aber bedrohlich gärte.
    Schönheit hatte für Caesar auf einem Feldzug allerdings nur eine untergeordnete Bedeutung, und Samarobriva entsprach seinen Wünschen vollkommen. Obwohl das belgische Gallien keine großen Steinvorkommen hatte und die Gallier nie gute Steinmetzen gewesen waren, bestanden die hohen Mauern der Festung aus Stein, und es war nicht schwer gewesen, die Mauern römischer Vorstellung entsprechend zu verstärken. Jetzt starrten sie vor Türmen, von denen man ein feindliches Heer bereits auf viele Meilen erkennen konnte. Vor den Toren waren zusätzliche Wälle aufgeworfen

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