MoR 05 - Rubikon
hätte er sich heimlich davongemacht. Das konnte er aber nicht, weil er wußte, daß Caesar gerne nachts angriff. Am ärgsten plagte ihn die Sorge um die Moral der Truppe. In einem Bürgerkrieg mußte man immer mit Deserteuren rechnen, und die Männer murrten schon. Seine eigene Laune war auch nicht viel besser.
Afranius’ Erfahrungen als Feldherr lagen schon lange zurück.
Im Morgengrauen schlug Caesar sein Lager wesentlich schneller ab und erreichte den Hohlweg vor Afranius, der somit keine andere Wahl hatte, als sein Lager am Eingang der Schlucht aufzuschlagen. Als Petreius vom Iberus zurückkehrte, fand er einen erschöpften und niedergeschlagenen Afranius vor, der zu keiner wichtigen und richtigen Entscheidung mehr in der Lage war; er hatte nicht einmal an die Wasserversorgung gedacht. Ärgerlich machte sich Petreius daran, den Zugang zum Fluß durch Befestigungen zu sichern.
Während Petreius, seine Ingenieure und einige Soldaten damit beschäftigt waren, taten die meisten anderen Soldaten des Pompeius nichts. Caesars Lager war so nahe, daß die Wachen sich miteinander unterhalten konnten. Die Legionäre Caesars bedrängten ihre Gegner, sich zu ergeben.
»Ihr könnt Caesar nicht besiegen«, sagten sie. »Gebt doch auf, solange ihr noch am Leben seid! Caesar selbst will nicht gegen seine Landsleute kämpfen, aber die meisten von uns sehen der Schlacht ungeduldig entgegen und drängen Caesar zum Kampf. Ergebt euch, solange ihr noch könnt.«
Eine Delegation der ranghöchsten Zenturionen und Militärtribunen aus den Legionen des Pompeius sprach bei Caesar vor, darunter auch Afranius’ Sohn, der Caesar bat, seinen Vater zu schonen. So lax war die Moral im pompeianischen Lager, daß ein paar Soldaten Caesars hinüberschlenderten, während die Delegation mit Caesar verhandelte. Von ihnen erfuhren Afranius und Petreius zu ihrer Bestürzung, daß ihre Offiziere — darunter Afranius’ eigener Sohn! — mit dem Gegner verhandelten. Afranius wollte die Soldaten in ihr Lager zurückschicken, doch Petreius wollte davon nichts wissen und ließ sie von seiner spanischen Leibwache auf der Stelle töten. Caesar dagegen schickte die Delegation höflich in ihr Lager zurück und bot ihnen den Dienst in seinem Heer an. Der Unterschied zwischen Caesars und Petreius’ Verhalten fiel allen auf. Während Afranius und Petreius beschlossen, lieber nach Ilerda zu ziehen, als den Iberus zu überqueren, wurde die Unzufriedenheit in den Reihen ihrer Soldaten immer größer.
Der Rückzug nach Ilerda war ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen; Caesars Reiterei belästigte die pompeianische Nachhut ununterbrochen. Als Afranius und Petreius am Abend ihr Lager bezogen, schnitt Caesar sie mit rasch errichteten Wällen vom Wasser ab.
Afranius und Petreius baten um Frieden.
»An mir soll es nicht liegen«, sagte Caesar, »vorausgesetzt, die Verhandlungen werden vor allen Soldaten geführt.«
Caesars Bedingungen waren maßvoll und annehmbar. Er ließ niemanden hinrichten, auch nicht Afranius und Petreius, und er zwang keinen, bei ihm zu dienen, denn Soldaten, die gegen ihren Willen rekrutiert wurden, waren immer für Desertion anfällig. Wer wollte, konnte sich ihm anschließen, wenn er ihm den Treueid schwor. Soldaten aus den spanischen Provinzen konnten nach Hause zurückkehren, wenn sie ihre Waffen abgaben, die Soldaten aus Rom wurden zum Fluß Varus zurückgeführt, der Grenze zwischen Gallia Narbonensis und Ligurien, und dort entlassen.
Es war vorbei. Der Krieg in Spanien war praktisch ohne Blutvergießen entschieden worden. Quintus Cassius marschierte mit zwei Legionen in die südspanische Provinz, wo Marcus Terentius Varro nicht mehr getan hatte, als sich in Gades zu verschanzen. Bevor es zum Kampf kommen konnte, gingen die Bevölkerung und die beiden Legionen von Hispania Ulterior geschlossen zu Caesar über. Varro traf in Corduba auf Quintus Cassius und ergab sich ebenfalls.
Quintus Cassius die Statthalterschaft über Hispania Ulterior zu übertragen, war allerdings ein Fehler Caesars gewesen. Als Cassius’ für Edelmetalle so sensible Nase das Gold und Silber witterte, das diese Provinz immer noch in Hülle und Fülle hervorbrachte, widmete er sich skrupellos der Ausbeutung seiner Provinz.
Mitte September war Caesar wieder in Massilia, gerade rechtzeitig, um die Kapitulation der Stadt entgegenzunehmen. Ahenobarbus war weggefahren und hatte die Stadt dem Hunger preisgegeben und so geschwächt, daß sie Decimus Brutus
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