MoR 05 - Rubikon
vor, daß Afranius ein Verräter sei, und Afranius seinerseits, empört über Favonius’ Angriffe, drängte Pompeius, Favonius aus seinen Diensten zu entlassen.
Der Oberbefehl über die Armee war praktisch auf Labienus übergegangen, der schon kleinste Vergehen mit Auspeitschungen ahndete. Die Soldaten murrten und dachten nur noch daran, wie sie Labienus in der Schlacht, die unweigerlich kommen würde, den Speeren ausliefern konnten.
Eines Abends beim Essen schlug Ahenobarbus zu.
»Wie geht es denn unserem werten Agamemnon, dem König der Könige?« fragte er, als er an Favonius’ Arm den Raum betrat.
Pompeius starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie hast du mich genannt?«
»Agamemnon, König der Könige«, sagte Ahenobarbus höhnisch.
»Und was soll das heißen?« fragte Pompeius drohend.
»Na ja, daß du in derselben Situation bist wie einst Agamemnon, König der Könige. Nomineller Anführer von tausend Schiffen, nominelles Oberhaupt einer Gruppe von Königen, von denen sich jeder mit demselben Recht wie du König der Könige nennen könnte. Es ist jetzt tausend Jahre her, daß die Griechen Troja angegriffen haben, und eigentlich sollte man denken, daß sich seither etwas geändert hätte. Aber es hat sich nichts geändert. Wir in Rom müssen immer noch unter einem Agamemnon leiden, einem König der Könige!«
»Und du bist Achilleus, nicht wahr, Ahenobarbus? Du schmollst bei deinen Schiffen, während die Welt zugrunde geht und die besten Männer fallen.« Pompeius’ Lippen waren weiß vor Zorn.
»Das kann man so nicht sagen«, sagte Ahenobarbus, der es sich auf einer Liege zwischen Favonius und Spinther bequem gemacht hatte. Er wandte seine Aufmerksamkeit den Trauben zu, die mit dem Schiff aus dem chalkidischen Pallene hergebracht worden waren. »Ich sehe mich eher selbst als Agamemnon, König der Könige.«
»Du willst das Zelt des Feldherrn, Ahenobarbus?«
»Dazu würde ich nicht nein sagen.«
»Warum forderst du mich heraus?«
»Deshalb, weil Agamemnon, der König der Könige, nicht in die Schlacht ziehen will.« Auf Ahenobarbus’ kahlem Schädel prangte ein Kranz aus Frühlingsblumen.
»Was sehr klug von ihm ist«, entgegnete Pompeius, bemüht, nicht die Nerven zu verlieren. »Meine Strategie besteht darin, Caesar hinzuhalten und zu zermürben. Offen gegen ihn zu kämpfen, wäre ein unnötiges Risiko. Wir stehen doch zwischen ihm und seinem Nachschub. Im Sommer wird er nicht mehr viel zu essen haben, im Herbst wird er in ganz Griechenland nichts mehr finden, und im Winter wird er kapitulieren. Mein Sohn Gnaeus auf Corcyra wird verhindern, daß Caesar Nachschub über das Adriatische Meer bekommt, und Gaius Cassius hat auf der Höhe von Messana einen bedeutenden Sieg über Pomponius — «
»Soweit ich gehört habe«, unterbrach ihn Lentulus Spinther, »hat Gaius Cassius nach diesem vielgepriesenen Sieg gegen Caesars alten Legaten Sulpicius gekämpft. Soldaten Caesars, die den Kampf von der Küste aus beobachteten und sahen, wie ungeschickt Sulpicius kämpfte, ruderten schließlich hinaus und enterten Cassius’ Schiffe. Cassius mußte sein Flaggschiff fluchtartig verlassen, sonst hätten sie ihn auch noch gefangengenommen.«
»Ja, das ist wahr«, gab Pompeius zu.
»Caesar hinzuhalten«, sagte Lentulus Crus zwischen zwei Bissen saftigen Tintenfisches, »ist lächerlich, Pompeius. Caesar hat keine Chance, das weiß doch jeder. Du klagst doch andauernd über Geldmangel, warum den Krieg dann noch länger hinauszögern?«
Brutus lauschte all dem mit wachsendem Entsetzen. Sein Beitrag zum Sieg bei Dyrrhachium war gering gewesen. Er hatte sich freiwillig bereit erklärt, nach Thessalonike, Athen oder sonstwohin zu reiten — nur weg von den zerstrittenen Senatoren und Soldaten! Aber erst in Herakleia hatte er bemerkt, wie tief die Meinungsverschiedenheiten zwischen Pompeius und seinen Legaten tatsächlich gingen. Und erst in Herakleia hatte er von Labienus’ Greueltaten gehört. Allmählich erkannte er, daß Pompeius’ durch seine eigenen Legaten zugrunde gerichtet wurde.
Warum hatte er Tarsus und Publius Sestius verlassen? Wie hatte er seine sorgfältig aufgebaute Neutralität aufgeben können? Wie konnte er von Leuten wie Deiotarus und Ariobarzanes Schuldzinsen eintreiben, wenn sie gleichzeitig Pompeius’ Krieg finanzierten? Was sollte er tun, wenn diese unnachgiebigen Dickschädel Pompeius doch noch in eine Schlacht trieben, die dieser so offensichtlich nicht wollte? Denn Pompeius hatte
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