Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
der Mann, mit dem ich ganze Schlachten ohne einen Kratzer durchgefochten habe?“
„Diesen Mann gibt es nicht mehr“, sagte der Preuße und blickte zu seinem Haus. „Ich hab alles verloren, was mir etwas bedeutet hat. Wofür soll ich noch kämpfen?“
Johann ließ ihn los, die beiden starrten sich an.
„Vielleicht für sie ?“ Es war Elisabeth, die gesprochen hatte. „Du bist schon einmal für Unschuldige eingestanden, warum –“
„Es hat keinen Sinn, Weib, verstehst du das nicht?“ Der Preuße wandte sich ihr zu, seine Stimme wurde lauter. „Glaub mir – wenn ich könnte, würde ich alle Kranken hier rausbringen, aber es ist zu spät. Das Viertel ist eine Todesfalle. Wir sind tot, alle.“
„Elisabeth, er hat recht.“ Johann ergriff ihren Arm. „Ich weiß, dass du ihnen helfen willst, aber wir haben keine Chance – wir können von Glück sagen, wenn wir unsere eigene Haut retten.“
Elisabeth blickte die beiden an. Sie hatte nie im Leben mutigere Männer getroffen, und dessen ungeachtet, was sie im Krieg mit ihren Offizieren gemacht hatten, auch keine ehrenhafteren.
Die Schreie aus dem Nebel wurden lauter.
Wenn diese beiden Männer sagten, dass es keine Rettung für sie gab, dann musste sie ihnen glauben, so schwer das auch war.
Ihr Blick fiel auf das Haus, in dem Josefa lag. Josefa, die sich in den Katakomben der Inquisition für sie geopfert hatte.
„Rettet ihr eure Haut – ich bleibe hier.“ Der Preuße ging mit langsamen Schritten auf sein Haus zu.
Und mit einem Mal wusste Elisabeth, was sie zu tun hatte.
„Dann ergib dich ruhig deinem Schicksal.“ Der Preuße blieb stehen, drehte sich zu Elisabeth um. Auch Johann war von der Entschlossenheit in ihrer Stimme überrascht.
„Ja, seht mich nur an. Aber ich bin es leid, untätig auf jedes neue Unheil zu warten. Josefa hat einst auch Mann und Kind verloren und trotzdem weitergemacht. Sie hat ihr Leben für mich gegeben, ich bin es ihr schuldig, das meine weiterzuleben.“ Sie verschränkte die Arme, ihre Augen blitzten. „Und wenn wir den anderen schon nicht beistehen können, dann gehen wir zumindest zum Hafen, verlassen diese verfluchte Stadt und fangen irgendwo ein neues Leben an.“ Sie konnte kaum glauben, was sie eben gesagt hatte, aber die Worte waren ihr wie von selbst über die Lippen gekommen.
Johann legte seinen Arm um sie. „Wahrer hast du nie gesprochen.“ Er wandte sich dem Preußen zu. „Meinst du nicht?“
Der Preuße atmete tief durch, blickte zu seinem Haus, dann wieder zu Elisabeth. Für einen kurzen Moment hatte sie ihn durch ihre Bestimmtheit an seine Josefa erinnert.
Wieder Schreie hinter ihnen. Der Preuße fasste einen Entschluss. „Also gut. Wir kommen hier aber nur raus, wenn wir eine Ablenkung anzetteln, sonst haben wir gegen die Guardisten keine Chance.“
„Und wie wollen wir das schaffen“, fragte Elisabeth.
„Das lass meine Sorge sein.“ Der Preuße blickte wieder zu seinem Haus. „Das lass meine Sorge sein …“
Leutnant Schickardt war zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Aktion. Die Verluste hielten sich in Grenzen, und er war sich sicher, dass sie auch List und den Preußen bald finden würden.
Er ritt hinter seinen Männern her, die Gebäude um Gebäude durchkämmten. Wenn er von Pranckh zufrieden stellen konnte, war eine Beförderung fällig, vielleicht würde er –
„Herr Leutnant! Seht!“
Er blickte auf, einer seiner Männer zeigte zum Ende der Gasse.
Flammen schlugen aus dem Nebel, höher und höher.
„Mach’s gut, Josefa. Ich werde dich immer in meinem Herzen tragen.“ Die Silhouette des Preußen hob sich schwarz gegen das brennende Haus ab, die Flammen griffen schon auf die angrenzenden Gebäude über.
Johann und Elisabeth standen etwas entfernt, um den Abschied nicht zu stören. „Mein Tagebuch“, sagte Elisabeth mit leiser Stimme. „Weißt du, dass ich es im Haus versteckt habe, als die Soldaten kamen? Ich wollte, dass dir wenigstens etwas von mir bleibt, wenn uns die Inquisition –“ Sie brach ab.
Johann umarmte sie. „Wir kommen hier heraus. Das versprech ich dir.“
Elisabeth nickte. „Deshalb habe ich das Buch im Haus gelassen, ich brauch es nicht mehr, soll die Vergangenheit hinter uns bleiben.“
Johann küsste sie. „Ich schenk dir ein neues, wenn wir in Siebenbürgen sind.“
Der Preuße drehte sich um und kam auf sie zu. Als er vor ihnen stand, waren seine Augen feucht, aber seine Stimme war fest. „Hier gibt’s nichts mehr zu tun.
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