Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
jetzt??«
»Der hat jetzt a Knäipe auf Ibiza.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sagen die Kollegen. Muß aber net stimmen. Es wird so viel geredet auf’m Schiff.«
»Ja«, sagte ich matt. »Wie halten Sie das bloß aus?«
»Das Schiff ist ein DORF. Da bleibt nix verborgen. Nix. Was wolln S’ mit dem machen?« Hartwin setzte sich interessiert neben mich.
»Ihn umbringen«, sagte ich.
Später fuhren wir zu Gandhis Geburtshaus. In sehr sorgfältiger, liebevoller Art war das Leben und Schaffen Gandhis in diesem düsteren, kargen Hause nachgestellt. Wir besichtigten die schmucklose Einrichtung, Gandhis Wohn- und Arbeitsraum, betrachteten das spartanische Eßgeschirr, den Löffel, den Blechnapf, aus dem Gandhi gegessen hatte. Falls er nicht gerade wieder fastete. Im Nebenraum war eine Ausstellung über die wichtigsten Ereignisse aus dem Leben Gandhis mit bunten Puppen in Glaskästen nachgestellt. Ich war gerührt darüber, daß die Glaskästen in Kinderaugenhöhe angebracht waren.
Wir vertieften uns in die Fotos und Beschreibungen, die das Leben und Wirken Gandhis erklärten. Aber so richtig konnten wir uns beide nicht auf Gandhi konzentrieren.
»Sie haben mir bei unserem ersten Tanz etwas von einem Brief angedeutet«, sagte ich. »Was stand denn drin?«
»G’lesn hob i dös net. Anonyme Sachen schmäiß i gläch weg. A Schmorrn. Mit so was geb i mich net ab.«
Dieser Mann wurde mir immer sympathischer.
Wir gaben uns der Besichtigung des Gandhi-Museums hin. Hartwin machte mich auf allerlei Einzelheiten aufmerksam. Ich versuchte, mich zu konzentrieren.
In einem Nebenraum, dessen Tür halb offenstand, saßen ein Dutzend ältere indische Frauen im Sari beieinander, die berieten sich offensichtlich über Frauenfragen. Eine von ihnen hielt eine Ansprache, die anderen lauschten und nickten und klopften Beifall mit dem Fingerknöchel auf den Tisch. Wir drückten uns wie die Schulkinder heimlich an der offenen Tür herum, um sie zu beobachten. Zwischen uns entstand eine Nähe, ein Vertrauen, eine Zusammengehörigkeit, wie ich sie mit Fred nie auch nur in Ansätzen gespürt hatte.
Hartwin zog mich auf einen klapprigen Balkon, der mit alten Tüchern und Bastmatten verhängt war.
»Du bist a starke Frau«, sagte er. Und schaute mich aus seinen wasserblauen Augen an.
»Du bist ein starker Mann.«
Und dann küßten wir uns. Er küßte hinreißend.
»Wahnsinn«, sagte der Hoteldirektor.
»Wahnsinn«, sagte auch ich.
Gandhi möge uns verzeihen.
»Verdammt, Hättwich, ich bin schon wieder verliebt.«
Kindchen, hast du dir das auch gut überlegt?
»Nein, Hättwich. Wenn man sich verliebt, dann überlegt man ja nicht.«
Wenn Hartwin frei hatte, bummelten wir Hand in Hand, ohne auf das Gerede der anderen etwas zu geben, am Strand von Sri Lanka entlang. Wir erzählten uns stundenlang aus unserem Leben. Er war früher Skiprofi gewesen. Hatte es bis zu den Olympischen Spielen gebracht. Bis er sich beide Beine brach. Da lag er monatelang im Gipsbett, in seiner steirischen Heimat irgendwo verlassen und vergessen in einem kleinen Krankenhaus. Mutter und Vater waren lange tot, seine Kindheit hatte er in kärglichen Verhältnissen verbracht, bei Tanten und Schwestern, die ihn weitergereicht hatten, bis sein Talent fürs Skifahren entdeckt wurde. Dann lebte er jahrelang in einem Sportinternat und trainierte hart, bis sein Unfall passierte. Damals schwor er sich, die Welt zu entdecken, wenn er jemals wieder würde laufen können. Er fuhr mit seinen letzten tausend Schilling nach Hamburg, stellte sich in den Hafen und fragte so lange bei Schiffen an, ob man Verwendung für ihn hätte, bis er auf einem Frachter als Tellerwäscher anheuern konnte. Damals war er zwanzig. Und jetzt, mit vierzig, hatte er es geschafft. Er war Hoteldirektor auf dem besten, teuersten und edelsten Schiff, das die Welt bereiste! Auf der »MS Blaublut«! Und er hatte selbst dieses Schiff vom Dreisterne- zum Fünfsterneniveau zurückgeholt. Innerhalb weniger Wochen. Was ein Mann! Ich war begeistert von soviel Kraft und Energie. Was er anfing, das wurde etwas. Er war kein moralinsaurer Apostel, keine gescheiterte Existenz, kein Weichei, kein Warmduscher, kein Laumann. Er war ein MANN!! Und was für einer! Und er stand zu dem, was er tat.
Abends trafen wir uns – an einem Ort, den niemand, aber auch NIEMAND einsehen konnte.
Die Hochzeitssuite war märchenhaft. Es war die einzige Kabine mit eigenem Balkon.
Hartwin brachte jeden Abend eine Flasche
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