Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Keiner hatte ihn wirklich lieb. Ich wollte ihn in den Arm nehmen. Aber ich traute mich natürlich nicht. Bestimmt hatte er tausend Ballettratten und Sekretärinnen und Assistentinnen und Sängerinnen und wer weiß wen noch alles, die das schon besorgten. Da hatte ich ihm bestimmt noch gerade gefehlt.
»Ja Wahnsinn, du«, sagte Ulrich. Und sein Kumpel, der phlegmatische Bänker mit der müden Fliege, sagte: »Das ställe ich mir anstrrängend vor, odr!«
Immerhin. Das war der erste zusammenhängende Satz, den dieser Jürgi Bürgi hervorgebracht hatte.
Plötzlich sagte Fred Hahn zu mir: »Kommen Sie mit?!«
Ich kicherte.
Gesagt. Getan. Wenn ich auf eine Aufforderung gewartet hatte, so auf diese! Hättwich, alte Schabracke, wie du das wieder im Griff has, ey!!
Ein bißchen dachte ich ja in diesem Moment an Rüdiger. Aber nur ein bißchen. Was hatte er gesagt? Ich bin mal sehr gespannt, ob du mir treu bleibst.
Jetzt war ich’s aber auch!
Ich stolperte barfuß hinter diesem markigen Mann her und hoffte, daß wir unbemerkt davonkämen.
Fred Hahn öffnete wieder gekonnt diese und jene Eisentür, wir stiegen sehr schmucklos wirkende Treppenstufen hinauf, liefen durch Gänge und Flure, wobei mich Fred Hahn weder beachtete noch gar das Wort an mich richtete, und dann standen wir plötzlich in einem spärlich beleuchteten Raum, in dem ein Steuermann-haaaalt-die-Wacht! am hölzernen Ruder drehte.
Wir waren auf der Brücke!
Ein einzelnes Streifenhorn mit Mütze und tadelloser Uniform lenkte das Schiff. Unser Schiff. Australien entgegen.
»Laß dich nicht stören, Alter«, sagte mein Halbgott in Weiß.
»Nee, wie immer nich«, sagte der Steuermann.
Wir schoben uns an ihm vorbei ins Freie.
Und dann standen wir plötzlich ganz allein da, wo sonst nur Kate Winslet und Leonardo DiCaprio stehen. Nur er und ich, und der Mond.
Ich breitete die Arme aus und ließ den australischen Wind durch meine Haare streichen.
»Denk bloß nicht, daß ich mit dir schlafe«, sagte ich.
»Ich will überhaupt nicht, daß du mit mir schläfst«, sagte Fred Hahn. Und dann drehte er mich zu sich herum und küßte mich.
Er küßte wunderbar, ganz zart und weich und trotzdem nicht lasch oder unmännlich. Er sagte auch dankenswerterweise kein Wort, erst recht nicht »ja Wahnsinn, du«.
Er sagte nichts, er küßte nur, und der gute alte Mond leuchtete.
Ich konnte mein Glück nicht fassen.
Da stand ich mit diesem Mann meiner Träume ziemlich champagnertrunken AUF DER BRÜCKE!! eines Fünfsterneschiffes, welches ich liebte wie mein Zuhause, und er küßte mich, und weit und breit war keine Sekretärin und keine Sängerin und keine Tänzerin und keine Assistentin zu sehen, nur das Meer und der Mond und ein finster vor sich hin blickender Steuermann mit drei Streifen auf der Schulter.
Doch meiner hatte vier Streifen!!
Und er küßte MICH!!
»Glaub ja nicht, daß ich mit dir schlafe!« stammelte ich, weil ich fühlte, daß mein Flaschengeist aus der Flasche krabbelte und Gewalt über mich bekam.
»Ich glaube es nicht«, sagte Fred Hahn.
Und er küßte mich!
Mein Flaschengeist umnebelte mich. Er kroch mir die Waden rauf und leider noch höher, und er war so voller Zauberkraft und teuflischer Begierde! Ich wollte, daß Fred mich berührte. O ja, ich wollte es so sehr! Los! Ich will deine Hände spüren!!
Hättwich schüttelte das schlohweiße Haupt. Soo doch nicht,
Dummerchen!
Doch der Kreuzfahrtdirektor tat mir den Gefallen!
Und jetzt wurde es mir klar: Fred Hahn hatte AUCH einen Flaschengeist!
Er loderte in meinem Körper wie ein heimlich angezündetes Feuer, das sich nicht mehr löschen ließ.
Ja, Kreuzfahrtdirektor! Tu’s! Ich sehne mich nach dir!! Ich habe jahrelang – was sag ich ... jahrzehntelang gewartet, daß so ein unglaubliches Mannsbild wie du auftaucht und mich endlich willig und rasend macht!!
Ich lehnte mich weit über die Brüstung zurück und stöhnte wollüstig. Wenn ich jetzt in den Ozean stürzte, wäre das der schönste Tod der Welt. Das Schiff würde mich auf der Stelle diskret in zwei säuberliche Teile schneiden. Den guten Teil – und den bösen.
»Ey, das ist gegen die Vorschrift«, meldete sich humorlos das Streifenhorn am Ruder. »Nicht über Bord lehnen! Ich muß Sie verwarnen!«
»Komm, Karl-Heinz, laß uns in Ruhe!« sagte Fred Hahn über die Schulter.
»Nee, das ist gegen die Vorschrift. Vögel sie in deiner Kabine, aber hier geht das nicht«, sagte der unromantische Karl-Heinz.
Ich haßte
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