Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
gehen.
Ich rannte durch den leeren, dunklen Saal. Die schwere Eisentür ließ sich kaum öffnen.
Wo mochte Fred hingegangen sein?
Ich suchte ihn, auf den Gängen und Pisten, auf den Planken und Treppen, auf den Außendecks und Innendecks und in den Bars und überall, an der Reling, am Bug und am Heck, aber er war nirgendwo zu sehen.
Ich war verzweifelt.
Er hatte vor zwanzig Minuten noch in der Tür zum großen Saal gestanden! Doch nicht, um sich danach in LUFT aufzulösen! Ich hatte alle vergrault, alle! Larry, den Professor, Lars-Dars, den Einhandsegler, Ulrichch, seinen Freund Jürgi Bürgi, Rudolf und seine Kegelbrüder, alle, alle. Ich irrte allein über das riesige Schiff, und es war nachts um zwei!! Doch nicht, um festzustellen, daß er mit seinem unsexy T-Shirt und seinen Bermudas mit einer Flasche Apfelsaft IM BETT war?! Womöglich mit einer Balletträttin?!
NEIN! Das durfte nicht sein! Dies hier war MEIN ABEND!!
Meine Nacht! Wie konnte ich mich erniedrigen, ihn auf Gängen und Treppen, auf Deck neun und acht, auf Deck sieben und sechs, auf Deck fünf und vier zu SUCHEN!!
Plötzlich hörte ich Musik.
Da war doch irgendwo noch etwas los.
Was war das? Crew-Fete? Deck DREI?! So tief?! So tief war ich noch nie gesunken.
Aber ich stolperte auf meinen hochhackigen albernen Pumps die Eisentreppen hinunter. »Staff only«.
Viele Gestalten. Dunkle, unbekannte. Oder bekannte?
Stewards, Köche, Zimmermädchen, Rezeptions-Mädels, Matrosen, Liegestuhl-Vietnamesen, Wäsche-Chinesen. Welch ein Getümmel! Hier war also der Crew-Swimmingpool! Er war abgedeckt. An der Bar gab es Bier aus der Flasche. Weinpullen standen herum, Zigarettenkippen lagen herum, Biertische wie auf einer Studentenfete. HIER spielte also die Musik! Während ich mit Ulrich im menschenleeren »Fürst-Rainier-Saal« tanzte!
Und da stand er. Fred. In einem bunten ätzenden Hawaiihemd. Grauenvoll. Ohne Streifen. Ohne Mütze.
Die achtköpfige Bänd war auch gerade eingetroffen. Man hatte Girlanden aufgehängt und Luftballons, die Nachtluft war zum Schneiden schwül.
Und er stand da, und die Bänd spielte.
Und er sang:
»Es war wie ein schöner Traum – und du
Sommer, Sonnenschein, das Meer dazu
und die Zärtlichkeit von dir,
die ich heut noch in mir spür.
Es war wie ein schöner Traum – und du
manchmal schauten Mond und Sterne zu.
Dieses Bild blieb in mir stehn,
dieser Traum darf nie vergehn.«
Ich stand und starrte. Er sang das FÜR MICH! ICH war die Fee, die ihm Zärtlichkeit gegeben hatte, Sonnenschein und Meer waren zufällig auch dabeigewesen, Mond und Sterne sowieso! ICH, ICH, ICH war sein schöner Traum gewesen! Da stand er auf einer Crew-Fete und sang dieses Lied FÜR MICH!! Warum tat er das, ohne mich vorher davon in Kenntnis zu setzen!?
Die achtköpfige Bänd spielte, und alle Crewmitglieder, alle Leichtmatrosen und Maate, alle Ingenieure und philippinischen Stuhlpolierer, alle Zimmermädchen und Deckstewards, alle Kellner, alle Masseure, Friseure, Fitneßraumbetreiber, Reiseleiterinnen und Tänzerinnen, Sängerinnen, Zauberer und Tenöre swingten dazu im Takt. Ich war die einzige, die nicht eingeladen war. Oder WOLLTE er mich einladen, als er vorhin in der Eisentür des »Fürst-Rainier-Saales« stand? Und hatte es dann frustriert unterlassen, weil ich schon wieder mit Ulrich dem Belagerer tanzte?
So mußte es gewesen sein.
Er sang es für MICH. Ich war mir so sicher wie seit meiner Firmung in Geilenkirchen nicht mehr.
Ich stand an der Eisentür und kämpfte mit den Tränen. Er hatte es ganz allein und nur FÜR MICH gesungen!!
Und eine Gänsehaut zog über meine dünnen, schwachen Ärmchen, die kaum die Eisentüren dieses Schiffes zu öffnen imstande waren.
Später ging ich zu ihm hin. Er stand mit einem Pappbecher Rotwein am Tresen und redete mit Jenni, einer Balletträttin. Es war mir egal, was die anderen dachten. Es war mir egal, was er von mir dachte.
Ich ging zu ihm hin und fragte ihn: »Hast du das für mich gesungen?«
Und er äffte mich nach: »Hast du das für mich gesungen?«
Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich hatte seit neun Nächten nicht mehr geschlafen und seit zehn Tagen nicht mehr gegessen, und ich fand, ich hätte ein Recht darauf, daß er mir ehrlich antwortete, zärtlich und privat, wie er schon mit mir gesprochen hatte, vor einigen Nächten und gestern, auf dem Liegestuhl, als alle anderen an Land waren.
»Sag es! Ich weiß, du hast es für mich gesungen!«
Fred steckte sich
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