Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
eine Zigarette an und blies mir den Rauch ins Gesicht und sagte kalt: »NEIN!«, und dann ging er auf eine Eisentür zu – »Staff only« – und ließ sie hinter sich zufallen.
Er war weg.
Und mit ihm waren auch Jenni, Claudia, Patricia und all die anderen WEG. »STAFF ONLY«!
Er war WEG!! Und ließ mich in meinem Elend allein!
Ich taumelte fassungslos die Eisentreppen hinauf, bis ich wieder im Passagierbereich angelangt war.
Hier saß noch brav Lars-Dars am Piano, und Klara-Viktoria mähte:
»Immer warten nur die Menschen, die wirklich lieben! Kommst du noch nicht? Wie die fallenden Tropfen am Ärmel zerstieben! Ich steh’ im Regen und warte auf dich, auf dich! Auf allen Wegen erwart’ ich nur dich, immer nur dich!«
»Bist du allein, du?« fragte Ulrich.
»Ja«, hauchte ich. »Allein.«
»Bist du traurig, du?«
»O ja, verdammt, du. Ich bin traurig, du.«
»Du, ich will dichch jetzt küssen, du!«
O.K. Du kannst michch jetzt küssen, du.
Wir gingen eine Treppe tiefer.
Richtung Heck. Da, wo die Schraube war.
Wir langten vor dem Fitneßcenter an.
Ulrich küßte mich.
Und ich ließ es geschehen.
Eigentlich liebte ich ja Fred. Aber Ulrich tröstete mich, und Hättwich fand auch, daß er ein gediegener und gutmütiger Mann war.
Warum sollte ichch michch gegen Ulrichch wehren, du? Er war dochch der einzige Mensch, der michch nochch gärn hatte, odr?!
Und so standen wir an der Reling und küßten uns, und der gute alte Mond läuchchtete. Odr.
»Mehr!« schrie der kleine Häwelmann.
»Gute Nacht, Ulrich.«
»Ichch bringe dichch auf deine Kabine, du.«
»Nein, danke, ich finde sie allein.«
»Du, Burkharda, du ... willst du’s wirklichch nichcht wissen,
du?«
Eigentlich fürchtete ich nur eins: jetzt wieder mal allein in meiner Kabine in der Koje zu liegen und an die Decke zu starren.
Also blieb ich bei Ulrich stehen.
Und ließ es zu, daß er die Träger meines Abendkleides über meine Schultern zog. Warum sollte er das nicht tun? Ich ließ ihn die Früchte ernten, die ich für Fred gesät hatte.
Und Hättwich stand hinter einer Marmorsäule und schüttelte beschämt den Kopf.
»Du bist eine Wahnsinns-Frau, du!« Ulrich atmete heftig.
»Wie du meinst.«
Ulrichs Erregung kannte keine Grenzen. Und der gute alte Mond leuchtete.
»Kchomm!«
Er zerrte mich auf einen der blankgewienerten Liegestühle direkt vor dem Fitneßcenter. Dahin, wo sonst immer dieser lüsterne Opa mit dem Krückstock lag, der hoffte, von den saunierenden Damen einen Streifen nackte Haut zu sehen, dieser unangenehme Spanner.
Wir sanken auf so einen Liegestuhl.
Und dann ging alles ganz schnell. Wir taten das, was alle Menschen irgendwann mal tun. Jedenfalls fast alle. Wir taten es. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß ich es ihm schuldig war. Weil er sich doch so unglaublich um mich bemühte. Außerdem hatte ich ihn wirklich schrecklich gern. Ich wollte ihn einfach nicht so kaltherzig stehenlassen, wie Fred mich immer stehenließ. Ünd ich wollte mich natürlich auch trösten. Über meine gekränkte Eitelkeit hinweg.
Es war eine schnelle Nummer.
Zwischen vier Uhr zwei und vier Uhr vier.
Fertig. Es war wie ein schöner Traum ...
Ja Wahnsinn, du.
Und ich lag da, in meinem schulterfreien Abendkleid unter australischer Mondsichel. Und dachte an Fred.
Mit wem mochte er wohl jetzt zusammensein?
Mit Natascha? Claudia? Jenni? Katja? Tina? Nadja? Oder mit allen zusammen?
Und dann schlief ich ein. Zum erstenmal seit neun Nächten. Ich schlief wie ein Stein. Jetzt war ja alles egal. Auf dem Liegestuhl, mit Ulrichch, der vor Erschöpfung schnarchte. Vor dem Fitneßcenter.
Und der gute alte Mond leuchtete.
Ich erwachte, als einer dieser Handtuch-Vietnamesen ein Handtuch über uns warf. Er schüttelte den Kopf und gestikulierte wild und wedelte mit seinem Putzlappen.
O Gott. Jetzt mußte er aus dem makellosen blauen Polster einen wirklich unfeinen Fleck entfernen.
Und wir lagen auch noch im Weg herum.
Schuldbewußt sprang ich auf. Es war halb sechs. Die Sonne stieg gerade glutrot aus dem Meer empor und ärgerte sich über mich. Wie beim kleinen Häwelmann. Erst immer »mehr, mehr« schreien und »leuchte, alter Mond, leuchte!« und den Hals nicht voll kriegen, aber dann ist es am Schluß die Sonne, die einen packt und ins kalte Wasser wirft. Ulrichch schlief noch fest seinen schweizerischen Ur-Schlaf. Ich war keinen Deut besser als der schwule Friseur und sein Leichtmatrose, die ich vor knapp zwei Wochen hier
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