Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
nicht auf ihm brütete.
»Sie sitzt im Saal und trinkt ‘ne Cola. Ich habe sie weggeschickt. Ich wollte mit dir allein sein.«
»Bist du ja nun. Also. Spuck’s inne Tüte.«
Lars-Dars knetete noch mal alle seine Finger und knackte mit jedem einzelnen Fingerknochen und sprach dann: »Ich habe mich in dich verliebt.«
»Ach so«, sagte ich, »wenn’s weiter nichts ist!«
Und dann fing ich hilflos an zu lachen und zog den armen Jungen an mich und umarmte ihn und streichelte seine prachtvollen weichgespülten Jünglingslocken und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken.
Ein Geräusch. Da war jemand hinter die Bühne gekommen. Wir waren nicht allein!
Schnell schob ich den erhitzten Jüngling von mir. »Ist da jemand?«
»Wir wollen ja nicht stören«, sagte Fred, der unbemerkt aus dem Dunkel des zugezogenen Vorhangs gekommen war. »Aber die Show fängt gleich an!«
»Ihr ... stört nicht«, stammelte ich und fühlte meine roten Flecken kommen, besonders den einen, der aussieht wie Afrika.
Wer ist wir? dachte ich, und dann sah ich, wer hinter ihm stand: Es war Klara-Viktoria, die dicke Diseuse.
»Ich wollte euch nur noch toi, toi, toi wünschen«, brachte sie mit tränenerstickter Stimme hervor. »Aber wie ich sehe, amüsiert ihr euch auch ohne mich.«
»Unsere Burkharda Meier ist da sehr flexibel«, sagte Fred in seiner spöttischen, zynischen Art, und ich sah einen unglaublich verletzlichen Funken in seinen Augen schwelen.
Hättwich schüttelte traurig den Kopf.
Ach, Kinder, kommt, das ist doch jetzt alles scheiße!
Ich rannte noch ein letztes Mal zum Spiegel, zupfte mein Kleid glatt, ölte meine Stimme mit einem Schluck Champagner und sagte: »O.K.«
»O.K.?!« Fred schenkte mir einen Blick, der Mitleid, Liebe, Wärme, Achtung, Respekt, Zuneigung ... fasel, fasel ... alles enthielt. Er war bei mir. Vier Streifen auf der blütenweißen Uniform. Er war das beste, größte, schönste, tollste Streifenhorn.
Er guckte mich an, Hättwich! Sonst nichts!
Fred zog sich die weiße Uniform glatt, die vier Streifen prangten im Scheinwerferlicht, dann drückte er seine Zigarette aus und ging, ohne mir noch einen Blick zu gönnen, zu dem Schaltpult, von dem aus er mit Larry sprechen konnte. »Technik klar?«
»Klar wie Kloßbrühe! Toi, toi, toi, Katze!«
Ach, Larry! Wie hatte ich ihn ins Herz geschlossen!!
»Dann: Roter Vorhang AUF! Weißer Vorhang zu!«
Ich stand in der dunklen, rauchigen, zugigen Gasse neben der Bühne und FIEBERTE. Die letzten Tanzpaare schlichen auf ihre Plätze. Die Bänd verkrümelte sich. Fred drückte mir mein Mikro in die Hand. Es war das gelbe.
Jetzt war SHOW TIME!! Burkharda Meier aus GEILENKIRCHEN!!
Ich hätte Fred gern noch berührt, ihm noch etwas Liebes gesagt. Dabei wäre es an ihm gewesen, MIR etwas Liebes zu sagen, so wie »toi, toi, toi« – ZUMINDEST!! –, und mir zärtlich über die Schulter zu spucken. Aber er trat routiniert auf die Bühne.
Er begrüßte das Publikum, machte ein paar Scherze, erntete Lacher. Sie LIEBTEN ihn. Alle. Männer, Frauen, alleinreisende Jungfern. ALLE. Und sie mußten mich HASSEN.
»Bühne frei ...«, sagte er, »für ... Burkharda MEIER!!«
Und dann war ich dran.
Ich fühlte keinerlei Unsicherheit mehr.
Keinerlei Versagensangst.
Ich fühlte nur eine große, große Liebe zu Fred – und natürlich zu meinem Publikum. Heuchel. Für sie wollte ich singen. Und ihnen einen unvergeßlichen Abend bereiten. Mitten auf dem schwarzen, stillen, schwülen Ozean.
Als wir die zweite Zugabe gegeben hatten, verbeugten wir uns wieder und wieder. Lars-Dars und ich, Hand in Hand. Larry warf das wunderbarste Licht auf uns, und die Leute im Saal klatschten, wie sie selten geklatscht hatten. Auf Kreuzfahrtschiffen klatscht man nicht. Da tut man gelangweilt.
Ich werde nie diese wunderbarsten zwanzig Sekunden meines Lebens vergessen, als Fred in weißer Uniform und mit vier goldglänzenden Streifen von rechts hinten auf die Bühne kam und mir einen riesigen Strauß roter Rosen überreichte.
ROTE ROSEN!!
Die konnte er unmöglich in Darwin am Straßenrand aufgetrieben haben! Die hatte er BESTELLT! Mit VORSATZ bestellt! Und eine seiner Nataschas, Claudias oder Patricias hatte sie für ihn entgegengenommen, angeschnitten und bewässert. Er hielt sie in beiden Händen, weil es so ein mächtiger Strauß war, und überreichte sie mir.
Das Publikum raste. Längst hatte ich »Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben« und »Der Onkel Doktor hat gesagt, ich
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