Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Neugotik«, sagte Jürgi Bürgi.
»Wie du meinst«, sagte ich.
»Laßt uns einen Kaffee nehmen«, sagte Ulrich.
»Alles, was ihr wollt.«
Wir sammelten die Mädels wieder ein, die inzwischen mit Tüten behängt waren.
»Ratet, wen wir getroffen haben«, schrie Gloria quer über die Straße.
»Na, Fred wohl, wen sonst!«
»Nää! Den Al’n mit dem Krückstock, der immer vor de Sauna rumliecht!«
»Keine Ahnung – ach der! Der Spanner!«
»Genau, ey! Und ratet, wat der gesacht hat!«
»Weiß ich doch nicht!«
»Ihr seid geseehn wordn!« plästerte Gloria laut.
»Wer – ist – wo – gesehen worden?
»Na, du und der Ulrich! Vor dem Fitneßcenter! Auf’m Liegestuhl! Morgens um vier! Ihr macht abba auch Sachen, ey!«
Mir wurde heiß und kalt.
»Und er meint, dat würd den Kreuzfahrtdirektor interessiern, wat da so allet abgeht nachts!«
NEIN! Alle, meinetwegen das ganze Schiff, sollten erfahren, was Ulrich und ich für ein nettes Schäferminütchen hatten, aber NICHT FRED!! Der arme, sensible, leicht verletzbare Mann, der gerade anfing, an mich und meine große wahre Liebe zu glauben! Wäre er sonst heute nacht in meine Kabine gekommen, um mich zu trösten?
»Also, wennde mich fraachs, der Alte hat so ‘n Mitteilungsbedürfnis, der macht dat.«
»Gloria! Wenn hier eine ein Mitteilungsbedürfnis hat, dann bist du das!« rief Anna. Doch Gloria überhörte das.
»Und wennde mich noch was fraachs, dat is natürlich genau dat, wat meine Leser lesen wolln. Wat da so wirklich abgeht auf so ‘m Fünfsternekahn.«
»Da ist überhaupt nichchts abgegangen, odr«, sagte Ulrichch mit Nachdruck. »Ichch habe die Burkharda getröstet, als sie traurig war, odr. Das ist alles, odr. Und der Rest geht dichch nichchts an.«
»Der Alte schildert dat abba anders«, röhrte Gloria unfein. Die Leute auf der Straße drehten sich um.
»Gehen wir einen Kchaffee trinken«, sagte Jürgi Bürgi. »Im Windsor Hotel. Da herrscht noch die aristokratisch-mondäne Welt britischer Lebensart«, las er aus seinem Reiseführer vor. Ihm war das alles sichtlich peinlich.
Wir setzten uns in Bewegung. Aber ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was, wenn der alte Spanner meinem geliebten Fred davon Mitteilung machte, daß ich mit Ulrich ... ausgerechnet mit Ulrich ... vor dem Fitneßcenter ... eine Nummer geschoben hatte!! Völlig blind stolperte ich hinter den anderen her.
»Soll doch der Kreuzfahrtdirektor das ruhig erfahren«, sagte Ulrichch. »Dann hört er auf, dich zu quälen, du.«
Ich sandte Ulrich nur einen leidenden Blick.
»Da isser!« schrie Gloria und zeigte auf die andere Straßenseite.
Wer? Fred? Herzklabastern. Rabumm, rabumm, rabumm.
Es herrschte dichter Berufsverkehr auf der vierspurigen Straße.
Nee! Der Alte war’s! Mit dem Stock! Die Autos fuhren links, und ich mußte mich konzentrieren, um in die richtige Richtung zu schauen, als ich, wie im Affekt, über die Straße lief, um den alten Spanner zur Rede zu stellen.
»Geht ihr schon vor!« schrie ich über die Schulter.
Der Alte wackelte mit seinem Krückstock mühsam in Richtung Town Hall am City Square. Dort wühlte er an einem Kiosk in Postkarten und Broschüren.
Ich hatte Herzklopfen. Sollte ich ihn ansprechen?
Ihm Geld bieten, damit er die Schnauze hielt?
Ihn fragen, was er überhaupt gesehen hatte?
Das alles machte die Sache für ihn noch viel spannender. Sollte ich ihm erklären, daß Ulrich mich nur getröstet hatte? Aber war ich diesem Kerl Rechenschaft schuldig?! WAS hatte der alte Spanner gesehen? Von wo? Wenn er oben an der Brüstung gelehnt hatte, konnte er eigentlich nur unsere Fußspitzen gesehen haben.
Oder war er IN der Sauna gewesen? Nachts um vier? Dann hätte er den Super-Logenplatz gehabt. Oder schlich er über das Personaldeck? Das Fitneßcenter lag mitten in einem beliebten Durchgang – von einer »Staff only«-Tür zur anderen! Lungerte er dort herum? Um zu lauern, was die Crew so trieb? Eine letzte Möglichkeit war der Fitneßraum selber. Aber was sollte der gehbehinderte Opa da drin, um diese Zeit? Er machte nie Fitneß. Er lag nur immer vor der Sauna, mit nichts als seinem Stock, und beobachtete die Leute, die da rauskamen. Wir alle fanden ihn schon lange widerlich.
Und jetzt wackelte er weitet Mit seinen Postkarten in der Hand. Mühsam und umständlich klebte er Briefmarken darauf. Da vorne war das General Post Office mit dem Uhrturm. Ganz klar! Er mußte über die Straße, um dorthin zu gelangen. Ich weiß auch nicht,
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