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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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...« Fred schaute hastig und heimlich auf die Uhr.
    In dem Moment polterte der dicke, häßliche, schwitzende Kapitän um die Ecke.
    »HAHN!! Ich suche Sie überall! Ihre Privatgespräche führen Sie gefälligst woanders als hier im Durchgang zum Kino, wo jeder Passagier Sie beobachtet!«
    Ich fühlte mich erstaunlich ruhig. Sag erst mal anständig guten Tag, du Eierloch. Außerdem STÖRST du gerade, Arschgesicht!!
    »Ich ruf Sie an.« Fred nahm Haltung an, sprach’s, drehte sich um und verschwand. Er SIEZTE mich! Vor dem Käpt’n, klar!
    Ja, wie, ich ruf Sie an? wo rufst du mich an? In meiner KABINE? Willst du damit sagen, du erwartest, daß ich mich jetzt, vormittags um elf, in die Kabine setze, um auf deinen Anruf zu warten?
    »Wie meint der das?« fragte ich verwirrt Larry, der mit dem Schnüreaufrollen gerade fertig war.
    »Katze«, sagte Larry mit feuchten Augen. »Wenn isch dir doch saach, du sollst die Fingä von demm lasse. Geh net mit demm an Land! Nimm dir dein schmuckn Schwaizä mit un die ganze Bande, mit denne du immä am lache bist, und happ dein Spaß und vergiß jetz endlisch den Fred!«
    »Ach, Larry, du hast doch keine Ahnung!« rief ich, drückte dem kleinen goldigen Tontechniker ein Küßchen auf die Stirn und rannte glücklich in meine Kabine.
    Dort wartete ich. Tagebuch schreiben mochte ich nun nicht mehr. Nach allem, was passiert war.
    Ohne mein Tagebuch fühlte ich mich einsam. Ich wartete.
    Der Zeiger der Kirchturmuhr – rückt von Strich zu Strich. Ach, wo bleibst du denn nur – denkst du nicht mehr an mich?
    Unruhig wanderte ich in meiner Kabine hin und her. Ließ mich auf die Bettkante fallen, sprang wieder auf. Setzte mich in den Sessel. Starrte aus dem Bullauge. Der tiefe, dunkelblaue, spiegelglatte Ozean. Hatte den alten Rehm verschluckt. Ganz dezent. Schweigend. Vornehm. Weg. Einfach weg. Und seine Frau schien ihn nicht im geringsten zu vermissen. So fröhlich hatte lange niemand mehr vor sich hin tremoliert. »Es ist ein Schnitter, der heißt Tod ...« Und der andere Alte. Ihn einfach vor die Straßenbahn zu schubsen! Aber er hatte mich BEDROHT! Er hatte an meinem Glück zu rütteln versucht. Mit seinem Krückstock. Und um dieses Glück kämpfte ich doch so verbissen! Das ließ ich mir von einem alten Spanner nicht nehmen! Auch nicht von zwei alten Spannern! Von keinem!!
    Ich sprang wieder auf. Zwei Schritte zum Kleiderschrank, zwei Schritte zum Schreibtisch. Zwei Schritte zum Bett. Ins Badezimmer. Mein Spiegelbild: Hatte ich mich verändert? Sah ich plötzlich anders aus? Ich starrte mich an. Nun gehörte ich zu ihm. Für immer. Unsere Flaschengeister hatten sich vereinigt. Er war ein schlechter Mensch. Ich war ein schlechter Mensch. Wir gehörten zusammen. Ruf an!!
    Telefon. TELEFON!!
    Ich sprang hin. Mein Herz fiel mir fast aus dem Mund. Ich räusperte mich, vor lauter Aufregung hatte ich einen Frosch im Hals. »Hallo?«
    Ich schloß die Augen, um seine tiefe Stimme zu genießen.
    »Du, WAAAHNSINN, DU!! HIER IST DER ULRICHCH! WIR GEHEN HEUTE AN EINEN STRANNDD SCHNORRCHÄÄLLN ... odr!!«
    Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Es durfte ja nicht besetzt sein, wenn ER anrief.
    Ich mußte irgendwas schreiben! Irgendwas Belangloses.
    Ich versuchte Limericks à la Weißenreim.
    Ein kräftiger und ein hagerer
    Bankier – als Männer Versagerer,
    die cham aus St. Gallen
    und wollten gefallen,
    speziell Ulrich – der Belagerer.
    Zwei Bänker aus Schweizer Gefilden
    tun schwimmende Rentner verbilden
    und belagern die Fraun,
    die jünger ausschaun.
    Nachts machen sie einen auf Wilden.
    Nee. Nix. Ich knüllte die Blätter zusammen und warf sie in den Eimer.
    Nichts. Stille. Die Schiffsmotoren knarrten. Anlegemanöver. Durch das Bullauge konnte ich beobachten, wie die Hafenmauer von Tasmanien sich näherte. Zentimeterweise. Der bullige, schrullige Käpt’n Schulz lehnte jetzt da oben auf der Brücke, da, wo Fred mich zum erstenmal geküßt hatte, und schrie mit seinem gelbzahnigen Katastrophengebiß seine Leute an und hängte seinen Schmerbauch über die Reling und versuchte, die schöne »MS Blaublut« nicht an die tasmanische Kaimauer krachen zu lassen.
    Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis Fred mich anrief. Ich sprang wieder auf. Schreibtisch, Bett, Tisch, Stuhl. Schreibtisch.
    Da lag Schreibpapier. Mit dem blütenweißen Emblem der »MS Blaublut« – ein wunderschönes Schiff auf hellblauem Büttenpapier. Ich MUSSTE jetzt irgendwas tun, bevor ich mir alle Fingernägel

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