Mord au chocolat
Unschuld bei einer formellen Anhörung vor dem Kuratorium erwiesen wird, habe ich Sie zur Persona non grata in meinem Zuständigkeitsbereich erklärt.«
»Bei einer formellen...« Die dunklen Brauen des Reverends zucken nach oben. »Moment mal – das ist ein Witz, nicht wahr?«
Ich grabe meine Zähne in den Chip. Köstlich. Darin liegt der Unterschied zwischen gekauften und hausgemachten
Keksen. Für die wird echte Butter verwendet. Nicht dieses industrielle Zeug, von dem wir – seien wir mal ehrlich – gar nicht wissen, was drin steckt. »Nein.« Ich kaue nicht. Das muss ich nicht. Der Chip zerschmilzt in meinem Mund. »Keineswegs.«
»Wie können Sie dieser Studentin mehr glauben als mir?«
»Weil ich sie mag.«
»Bekomme ich keine Gelegenheit, mich zu verteidigen?«
»Doch, bei der Anhörung.«
»Aber ich weiß nicht einmal, was mir vorgeworfen wird!«, faucht er. »Das ist unfair!«
»Oh...« Ich schlucke die geschmolzene Schokolade hinunter. »Das wissen Sie sehr gut. Sie haben bereits mit dem Opfer gesprochen – eine weniger großzügige Person würde sagen, Sie haben die Studentin bedroht und wollten sie veranlassen, ihre Beschwerde zurückzuziehen. Zu Ihrem Glück ist der Mann, mit dem sie das erforderliche Formular vorbereiten sollte, plötzlich gestorben.« Als ich ihn anschaue, verengen sich meine Augen. »Nicht wahr?«
Darauf geht er nicht ein. Stattdessen stößt er aufgeregt hervor: »Das verstehen Sie nicht! Jamie Price ist ein nettes Mädchen. Aber ziemlich – durcheinander. Deshalb missdeutet sie freundschaftliche Gesten und hält sie für sexuelle Annäherungsversuche.«
Hoffentlich dreht er sich nicht um und sieht Jamie in einer Ecke mit einem gewissen Studenten knutschen. Ohne Zweifel ein Zungenkuss …
»Glauben Sie mir, sie ist seelisch gestört«, fügt Mark hinzu, »ich wollte ihr schon eine Therapie empfehlen.«
»Tatsächlich?« Der Keks tut mir nicht gut. Vielleicht brauche ich etwas anderes, um meinen Magen zu beruhigen. Aber was? Tad und Muffy unterhalten sich immer noch bei der Punschschüssel. Also kommt der Punsch nicht in Frage. Aber Cooper, der mich wie versprochen nicht aus den Augen lässt, steht neben dem mexikanischen Hochzeitskuchen. Hmmm, mexikanischer Hochzeitskuchen... Flaumig und butterig. »Das alles können Sie bei der Anhörung vorbringen«, sage ich zu Reverend Mark. »Möglicherweise haben auch Sie eine Therapie nötig.«
»Ich?«, fragt er verblüfft. »Wieso?«
»Nun...« Ich schaue zu den Mrs Veatches hinüber, die dem Präsidenten und seiner Frau die Hände schütteln. Offenbar will das Ehepaar gehen. Dr. Allington umfasst den Arm seiner Gattin. Soweit ich feststellen kann, die einzige Stütze, die sie aufrechthält.
»Oh, die Vögel!«, ruft sie in einem fort. Damit meint sie ihre Kakadus, die sie oft erwähnt, wenn sie beschwipst ist. »Die Vögel!«
»Wenn ich richtig verstanden habe, Reverend Mark...« Nur mühsam reiße ich meinen Blick von Mrs Allingtons amüsanten Possen los, »... ist das nicht die erste Lehranstalt, in der Sie unangenehm aufgefallen sind.«
Da verändert sich seine Miene und wechselt blitzschnell von attraktiver Höflichkeit zu finsterem Zorn über. Ehe ich weiß, wie mir geschieht, umklammert er meinen Arm so fest, dass es wehtut – und auch meine Wut erregt.
»Autsch!«, jammere ich und schaue mich nach Cooper um.
Aber irgendwas ist beim Schreibtisch des Sicherheitsdienstes
passiert, und zwar die Ankunft einer Person, die niemand beim Leichenschmaus für den ermordeten Dr. Veatch erwartet hat – nämlich der einzige Tatverdächtige, Sebastian Blumenthal.
Zu behaupten, ein Tumult würde losbrechen, wäre eine gewaltige Untertreibung. Natürlich lässt ihn der arglose Sicherheitsbeamte herein, und Sebastian, von einer entschlossenen Sarah gefolgt, eilt schnurstracks zu Pam. Keine Ahnung, wieso er weiß, dass sie Owens Ex ist – vielleicht, weil sie ein schwarzes Kostüm trägt und neben der ebenfalls schwarz gekleideten betagten Mutter des Verblichenen steht …
Jedenfalls zieht das kleine Drama alle Blicke auf sich, auch Coopers und meine. Pam schreckt instinktiv vor Sebastians ausgestreckter Hand und seinen gefühlvollen Worten zurück. »Mrs Veatch? Tut mir so leid, Ihr schwerer Verlust...«
Im selben Moment reißt Mark an meinem Arm und zerrt mich zu einer Seitentür, die in die Schwimmhalle führt.
Sicher hätte mein Hilferuf alle Leute in meiner Nähe alarmiert – hätte Pams schriller Wutschrei nicht
Weitere Kostenlose Bücher